Der türkische Spieler Merih Demiral hat eine Sperre von zwei Spielen ausgefasst, weil er im Achtelfinale der Fußball-EM gegen Österreich den Gruß der rechtsextremen türkischen Bewegung „Graue Wölfe“ gezeigt hat. Demiral fehlt der Türkei im Viertelfinale gegen die Niederlande am Samstag und in einem möglichen Halbfinale. Ein Einspruch ist nicht möglich, die Empörung aufseiten der Türkei ist groß.
Nicht zuletzt das türkische Außenministerium unterstellte dem europäischen Fußballverband UEFA nach dessen Richterspruch Vorurteile. „Diese Entscheidung hat die Einschätzungen verstärkt, dass die Tendenz zu voreingenommenem Verhalten gegenüber Ausländern in einigen europäischen Ländern zunimmt“, hieß es in einer Mitteilung.
Zuvor schrieb der türkische Vizepräsident Cevdet Yılmaz auf X, die Sperre sei inakzeptabel und müsse korrigiert werden. „Die Schönheit und Spannung des Fußballs sollte nicht durch politische Entscheidungen überschattet werden.“ Laut Sportminister Osman Aşkın Bak habe die Entscheidung „keinerlei rechtliche Grundlage und wir sehen sie als rein politisch an“.
Einem Medienbericht zufolge wollte der türkische Fußballverband ein Eilverfahren vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS beantragen. Allerdings ist ein Einspruch laut Artikel 63 der Statuten der Europäischen Fußball-Union UEFA nicht möglich. Darin heißt es, dass der CAS nicht zuständig ist für Fälle, in denen ein Spieler für bis zu zwei Spiele oder bis zu einem Monat gesperrt wird. „Da bei Strafen unter drei Spielen der Einspruchs- und Antragsweg zum CAS versperrt ist, wurde uns durch die verhängte Sperre für zwei Spiele auch das Einspruchsrecht genommen. Diese parteiische und ungerechte Entscheidung hat unsere gesamte Nation zutiefst enttäuscht“, sagte TFF-Präsident Mehmet Büyükeksi in einer Verbandsmitteilung.
Die UEFA hatte die Sperre am Freitag damit begründet, dass Demiral „die allgemeinen Verhaltensgrundsätze nicht eingehalten, die grundlegenden Regeln des guten Benehmens verletzt, Sportereignisse für Kundgebungen nicht sportlicher Art genutzt und den Fußballsport in Verruf gebracht“ habe.
Türkische Ultras rufen Fans auf, Wolfsgruß zu machen
Seit Mittwoch ist der Fall ein Politikum. Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser hatte die Geste inakzeptabel genannt. Die Türkei bestellte den deutschen Botschafter ein, Deutschland reagierte umgekehrt mit demselben diplomatischen Schritt. Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan kündigte seinen Besuch für das Spiel gegen die Niederlande in Berlin an.
Türkische Ultras riefen die Fans auf, den Wolfsgruß während der türkischen Nationalhymne vor dem Spiel am Samstag zu machen. Es solle gezeigt werden, dass das Zeichen kein Rassismus sei, sondern das Symbol des Türkentums, hieß es. Die einflussreiche Fan-Gruppe Ultraslan von Traditionsclub Galatasaray kündigte an, es nicht abwarten zu können, „morgen als Tausende Graue Wölfe in Berlin und als Millionen in der Welt eine Antwort auf diese Gemeinheit zu geben“.
Der Hashtag #BeFairUEFA war am Freitag zwischenzeitlich einer der weltweiten Toptrends beim Portal X. Zahlreiche Nutzer echauffierten sich unter anderem über die aus ihrer Sicht fehlende Verhältnismäßigkeit zwischen der Demiral-Sperre und der Strafe für Jude Bellingham. Der englische Nationalspieler war nach einer obszönen Geste mit einer Geldstrafe in Höhe von 30.000 Euro und einem Spiel Sperre auf Bewährung davongekommen.
Der Wolfsgruß drückt in der Regel die Zugehörigkeit oder das Sympathisieren mit der türkischen rechtsextremen Ülkücü-Bewegung und ihrer Ideologie aus. In der Türkei ist die ultranationalistische MHP ihre politische Vertretung und Bündnispartnerin der islamisch-konservativen AKP von Präsident Erdoğan. Demiral hatte die Geste mit „Stolz und Freude“ gerechtfertigt und eine „versteckte Botschaft“ bestritten. In Deutschland stehen die Grauen Wölfe unter Beobachtung des Verfassungsschutzes, in Österreich sind deren Symbole verboten.