Spielerbewertungen sind immer eine besondere Sache. Wir haben vor dem Achtelfinale den Schriftsteller und Sport-Fan Franzobel gebeten, das Spiel für uns zu verfolgen und die Österreicher zu bewerten. Er tat das und vergab auch Noten, analog jenen der Kleinen Zeitung. Der Notenschlüssel: 6 = Überragend. 5 = Sehr gut. 4 = Gut. 3 = Durchschnitt. 2 = Schwach. 1 = Totalausfall.
Patrick Pentz, Note: 2
Hat bereits beim Einlaufen den vorrundigen Dauergrinser vermissen lassen und kassierte nach gerade einmal 57 Sekunden das vielleicht spielentscheidende Tor, bei dem er sich zwar nicht für den Darwin-Award empfohlen, aber doch reichlich patschert angestellt hat. Beim 2:0 klebte er auf der Linie wie eine Fliege im Leim. Ein Weitschussversuch von Güler, was der Lachende bedeutet, zeigte, unser Torwart war nicht immer ganz zu Hause. Seine Spieleröffnungen hatten dafür Präzision, und dass er bis zur vorletzten Minute warten musste, um eine Parade zeigen zu können, ist ihm nicht anzulasten.
Stefan Posch, Note: 5
Seine Schuld war es nicht, dass Österreich nun einen Cold Turkey hat. Die rechte Seite stand zusehends in seinem Hoheitsbereich und mit mehreren grandiosen Lochpässen hat der Bologna-Legionär hundertprozentige Chancen aufgetan, die seine Kollegen aber durchwegs vernudelten.
Kevin Danso, Note: 4
Hat das vom Trainer ausgegebene Motto Heiße Herzen, kühler Kopf wie kein anderer verinnerlicht, ließ sich weder vom Gepfeife des Publikums noch von dem des Schiedsrichters aus der Ruhe bringen, ja, selbst das Gegentor schien ihn nicht weiter zu irritieren. Schade, dass der Fleisch gewordene Stoizismus keine Weitschüsse kann und mit Lochpässen so vertraut ist wie Donald Trump mit Demokratieverständnis.
Philipp Lienhart, Note: 4
Anfangs einer der Besseren, verhinderte, dass die österreichische Hintermannschaft nach dem schnellen Gegentor zum Schwimmverein wurde und empfahl sich für eine spätere Karriere als Sicherheitsbeamter. Der Innenverteidiger, nein, das ist kein Verfechter des Genderns, überspielte oft die erste Kette der Türken, und war hinten das, was bei der Jugend gerade modern ist: stabil.
Phillipp Mwene, Note: 3
Bekam den Vorzug gegenüber Prass, erwischte aber keinen besten Tag, den er sich bestimmt glücklicher mwente. Hatte mit Müldür, der Name bedeutet Eigentum, zu kämpfen, verbiss sich ins juristische Kleinklein und vergaß dabei oft auf Sabitzer, der vor ihm in der Luft hing wie ein Krokodil mit Flügeln. Die linke Seite der Österreicher ist so etwas wie der heilige Bezirk David Alabas, den gestern weder Mwene noch Prass ganz vergessen machen konnten.
Nicolas Seiwald, Note: 5
Hat eindrucksvoll gezeigt, warum er in Rangnicks Mathematik die Konstante ist. Nicki grätscht alles weg, was die Immunität des österreichischen Strafraums verletzt, läuft wie Käse in der Käseleberkäsesemmel und verbeißt sich in den Gegner wie in einen Döner, konnte das finale Izmir-Übel aber genauso wenig verhindern wie seine Kollegen. Darf sich mit Leipziger Wurst trösten.
Konrad Laimer, Note: 3
Fiel erstmals kurz vor der Pause auf, als ihm der Teamchef über den Umweg Danso einen Zettel zusteckte, auf dem wahrscheinlich eher nicht die aktuellen Lottozahlen standen. Mit einem sehenswerten Solo hätte er eine Möbelhauskette und ganz Österreich glücklich machen können, aber der Abschluss war eher als erste Maßnahme des Renaturierungsgesetzes zu verstehen. Insgesamt war Laimers Spiel so unterhaltsam wie die Familie Putz. Steigerungspotenzial.
Romano Schmid, Note: 3
Beackerte mit Posch und dem Selbstbewusstsein des frischgebackenen Vaters die rechte Seite. Der Maulwurf wühlte sich tapfer durch die heimtürkische Verteidigung, konnte aber keine entscheidenden Kanäle finden. Wenn er den Baggerführerschein macht, wird er noch ein ganz Großer.
Christoph Baumgartner, Note: 4
Österreichs Mann für die schnelle Nummer, der normalerweise schon während der Hymne einnetzt, hätte in der dritten Minute den Ausgleich erzielen müssen, ebenso zwei Minuten später, und kurz vor der Pause wäre Gelegenheit gewesen, einen Spitz-von-Izmir-Gedenkschuss anzubringen. Baumi wandelte aber nicht auf den Spuren von unser aller Dativ, sondern im Konjunktiv der schlechtesten aller Möglichkeiten. Zu Beginn und zum Ende sehr präsent, zwischendurch aber so unsichtbar wie ein EU-Politiker nach der Wahl.
Marcel Sabitzer, Note: 3
Hat vermutlich eine Wette verloren, dass er mit einer Frisur, die an einen Krokodilrücken erinnert, ganz Österreich entzückte. Was das für Kopfbälle bedeutet, weiß man auch nach dem Match nicht. War bemüht, dem Spiel Geschwindigkeit zu geben, konnte aber nicht verhindern, dass es letztlich die lauten 3er-BMWs der Türken sind, die durch unsere Städte donnern. Sabi hätte zum Rudi Weinhofer werden können, als ihn zehn Minuten vor Schluss bei einem Eckball eine Münze (mit Erdogan drauf?) aus dem türkischen Fansektor getroffen hat, stattdessen wurde er zum Brunnen für seine und unsere Tränen. Wünsche blieben vorerst unerfüllt.
Marko Arnautovic, Note: 2
Hat gleich mehrmals den ersten Pflichtspielsieg gegen die Türkei seit 1988 auf dem großen Zeh gehabt, aber Arni, der sich mit diesem Turnier in den Legendenstatus schießen hätte können, erwies sich als Meister im Lufthacken und Chancenvernebeln. Der Kapitän scheint sich die Deutsche Bahn zum Vorbild genommen zu haben, so oft, wie er zu spät gekommen ist. Er bewegte sich gern im falschen Moment vom Ball weg und machte auch sonst nur einen Österreicher glücklich – Toni Polster, der seinen Torrekord nicht weiter in Gefahr sieht.
Michael Gregoritsch, Note: 5
Kam für Romano Schmid (46.). Strahlte gleich so viel Gefahr aus wie ein sich verdüsternder Abendhimmel und zeigte mit seinem Tor, dass auch Österreich Eckbälle kann. Seine Kopfballhoheit ließ die gegnerischen Verteidiger teilweise so dekapitiert aussehen wie die Marienstatue im Linzer Dom, aber auch ihm gelang es nicht, den Schlüssel für die Tür „Viertelfinale“ zu finden. Spätestens bei der WM wird man wieder Einlass begehren.
Alexander Prass, Note: 3
Kam für Phillipp Mwene (46.). Der Sturmspieler versuchte seinem Namen alle Ehre zu machen und übte sich brav im Pressig und Prassing. Die Schlussoffensive der Österreicher wurde durch ihn nicht wesentlich behindert, aber auch nicht veredelt. Über die Posch-Seite kam deutlich mehr, während die Prass-Seite sich eher zur Parkraumbewirtschaftung eignete. Dafür darf er sich mit einem Satz trösten, den nach einer Niederlage niemand gerne hört: Ihm gehört die Zukunft.
Maximilian Wöber, Note: 3
Kam für Philipp Lienhart (64.). So unauffällig wie die Buhlschaft beim Salzburger Jedermann, aber auch nicht versucht, sich mit einem weiteren Treffer zu Österreichs Euro-Torschützenkönig zu krönen.
Florian Grillitsch, Note: 5
Kam für Konrad Laimer (64.). Spielte wie der süße Traum einer Kaffeehausmannschaft, belebte, gab den Taktgeber, kämpfte wie ein Oberkellner um sein Trinkgeld und servierte manchen Zuckerpass, konnte aber die Frage, wer den Kaffee erfunden hatte, nicht zu Gunsten der Österreicher entscheiden – vor allem, da die Türken ein diesbezüglich unschlagbares Argument von der Bank brachten und Kahveci einwechselten, was Café bedeutet. Darf sich mit Milchrahmstrudel trösten.