Der große Wurf, er blieb der österreichischen Nationalmannschaft versagt, es hat nicht sollen sein. Das neue, von Ralf Rangnick geformte Team musste sich im ersten Spiel der K.o.-Phase, im Achtelfinale der Euro 2024 der Türkei 1:2 geschlagen geben und musste sich damit vom Turnier verabschieden. Nach einem 0:2-Rückstand versuchten die Österreicher in den letzten 20 Minuten der Partie alles, drängten den Gegner völlig zurück, aber der Ausgleich wollte nicht mehr gelingen. Aus, vorbei.

Ein Heimspiel? Von wegen. Es wäre auch seltsam gewesen, irgendwie hatte sich das Bild verfestigt. Wie schon in den bisherigen Matches dieser Europameisterschaft gegen Frankreich, Polen und die Niederlande sahen sich die österreichischen Fans auch im Leipziger Stadion mit einer gegnerischen Übermacht konfrontiert. Die Türken stellten eine signifikante Mehrheit. Der mutmaßliche Heimvorteil wegen des persönlichen Bezugs von Spielern und Trainer zu dieser Stadt stellte sich als Illusion heraus. Aber die Österreicher waren daran gewohnt.

Den Münzwurf gewann Marko Arnautovic, aber der Schuss ging nach hinten los. Nach dem verpufften schnellen Angriff der Österreicher konterten die Türken, Nici Seiwald verschuldete einen Corner und der vom hochtalentierten 19-jährigen Arda Güler sehr gefinkelt hereingezirkelte Standardball führte zum äußerst unglücklichen, aber auch ziemlich patscherten 0:1 in der ersten Minute. Patrick Pentz kam nicht von der Linie weg, von dort spielte Christoph Baumgartner direkt Stefan Posch an, der Torhüter kratzte den zurückgeprallten Ball noch heraus, aber Demirals Schuss war nicht mehr abzuwehren. Schlimmer hätte der Auftakt nicht ausfallen können, der Vorteil, es waren noch mindestens 89 Minuten zu absolvieren. Die Österreicher waren nun sofort gefordert und suchten auch die rasche Antwort, griffen unentwegt an, fanden innerhalb von fünf Minuten drei Ausgleichschancen vor, nach einem Corner fehlten nur Zentimeter.

Demiral erzielte seinen Doppelpack

Doch bald ebbten die Offensivaktionen ab, die technisch starken und bei ihren Gegenstößen immer wieder gefährlichen Türken hatten keine Probleme, das Spiel unter Kontrolle zu halten. Dann ertönte auf einmal der Pausenpfiff und die Österreicher, die, abgesehen von der unmittelbaren Reaktionszeit auf das Gegentor, nicht zu „ihrem Spiel“ gefunden hatten, lagen noch immer zurück. Und zu allem Überfluss setzte dann auch noch der Regen ein. Aber es musste was geschehen.

Der Teamchef reagierte und setzte ein Zeichen, er brachte Alexander Prass für Philipp Mwene und mit Michael Gregoritsch anstelle des schon verwarnten Romano Schmid eine zweite Spitze. Österreich begann mit einem Sturmlauf und beinahe hätte sich dieser schon nach wenigen Minuten bezahlt gemacht. Nach einem tollen Pass von Posch tauchte Arnautovic alleine vor dem Tor auf, aber Torhüter Günok verhinderte mit einer starken Abwehr den schon sicher scheinenden Ausgleich. Auch weitere vielversprechende Aktionen brachten keinen Erfolg.

Und dann nahm das Unheil seinen Lauf. Bei einem neuerlichen, wiederum von Güler extrem stark getretenen Eckball stieg Demiral höher als alle Österreicher und köpfelte zum 2:0 ein. Die Standards, die Österreich lange nicht auf die Reihe brachte, drohten dem rot-weiß-roten Team zum Verhängnis zu werden. Mitten hinein in die völlig aus dem Häuschen geratenen türkischen Fans zwängte sich die Frage: Würden die Österreicher noch einmal zurückkommen?

Eine Antwort gab Gregoritsch, der nach einem von Posch verlängerten Sabitzer-Corner aus kurzer Distanz auf 1:2 stellte. Und nun versuchte es die Rangnick-Elf mit einem Power-Play, zumal sich bei den Türken Verschleißerscheinungen bemerkbar machten. Sie probierten alles und mit enormer Vehemenz. Schüsse blieben immer wieder an irgendeinem türkischen Bein hängen. In der Schlussphase befanden sich bis auf Pentz minutenlang alle Spieler in der Angriffshälfte der Österreicher. In der 94. Minute packte Günok gegen einen Kopfball von Baumgartner eine Monsterparade aus. Es half nichts mehr, die Türkei trifft im Viertelfinale auf die Niederlande.

„Es herrscht einfach Leere in allen“, war eine erste Reaktion von Maximilian Wöber. „Wir haben eine Euphorie entfacht, nicht nur in Österreich, auch bei uns in der Mannschaft. Wir haben geglaubt, dass wir sehr viel erreichen können. Es ist eine Enttäuschung da, niemand weiß genau, wie es weitergeht.“