Ralf Rangnick in der ZiB2 im ORF über Stimmen, dass jetzt sogar das Finale für Österreich möglich sei: „Das, was wir bis jetzt erreicht haben, also den Gruppensieg in der mit Abstand schwersten Gruppe bei dieser EM hat uns schon niemand zugetraut. Wir bekommen natürlich mit, dass die Zuversicht und die Erwartungshaltung durch diese drei Spiele weiter gestiegen ist. Meine Spieler sollen sich von dieser Euphorie ruhig ein bisschen tragen lassen, aber sie können das schon sehr realistisch einschätzen. Jetzt geht die EM mit den K.o.-Spielen erst richtig los. Da geht es jetzt in jedem einzelnen Spiel darum, zu gewinnen, weiterzukommen, denn wenn du nicht gewinnst, bist du draußen. Genau so werden wir die Spiele jetzt auch angehen. Das Spiel gegen die Türkei in Leipzig wird sicher ein sehr emotionales Spiel, auch von den Rängen her mit vielen Zusehern aus Österreich und der Türkei. Wir brauchen wieder die gleich starke Mannschaftsleistung. Ich habe vor dem Turnier gesagt, dass ich möchte, dass unser Team das Beste bei der EM ist, was das Mannschaftsgefüge betrifft. Ich glaube, das hat man in den ersten drei Spielen gesehen und wenn wir dazu noch unsere Spielweise sehr konzentriert auf den Platz bringen, dann ist es nicht so einfach, gegen uns zu spielen.“

... über sein „Geheimrezept“: „Das gibt es nicht wirklich. Das, was wir erreicht haben, ist das Ergebnis der Arbeit der zwei vergangenen Jahre. In der Zeit haben wir das Team dorthin entwickelt, wo es jetzt ist. Wir haben selbst die Ausfälle von David Alaba, Sasa Kalajdzic, Xaver und Alexander Schlager sehr gut verkraftet. Die Mannschaft weiß ganz genau, was ihre Stärken ausmacht, wie sie spielen muss. Sie hat den Matchplan, den wir vor jedem Spiel ausgeben, komplett verinnerlicht. Der Zusammenhalt im Team und die Energie, die wir auf den Platz bringen, machen uns zu einer besonderen Mannschaft.“

... über die Kunst, das 0:1 gegen Frankreich nach einem Eigentor so gut wegzustecken: „Diese Niederlage war schon unglücklich, auch wegen des Eigentors. Aber wir hatten selbst zwei, drei richtig gute Möglichkeiten und ich weiß nicht, wie das Spiel gelaufen wäre, wenn wir die erste Chance gleich genutzt hätten. Aber so ist es nun einmal im Fußball, umso wichtiger war die Reaktion im Spiel gegen Polen, in dem wir wirklich eine ganz starke zweite Halbzeit gespielt haben und das Spiel verdientermaßen auf unsere Seite gezogen haben. Gegen die Niederlande war es ähnlich, sind zweimal in Führung gegangen, haben beide Male den Ausgleich kassiert und trotzdem immer wieder reagiert und uns nicht zu sehr beeindrucken lassen. Marcel Sabitzer hat es so ausgedrückt: ‚Wir haben uns kurz geschüttelt und uns dann wieder auf unser Spiel konzentriert.‘ Am Ende haben wir auch dieses Spiel verdient gewonnen. Wenn jemand vor diesen drei Gruppenspielen vorhergesagt hätte, dass wir in dieser schwersten Gruppe tatsächlich als Gruppensieger weiterkommen, den hätte man schon als sehr, sehr großen Optimisten bezeichnet.“

... über seinen Spielstil, den er zuvor bei Manchester United nicht durchsetzen konnte, beim ÖFB-Team aber schon: „Diese zwei Situationen kann man überhaupt nicht vergleichen. In Manchester war ich sechs Monate interimistisch tätig. Ich hatte keinerlei Vorbereitung und genau ein Training vor dem ersten Spiel. Hier in Österreich haben wir dieses Team jetzt zwei Jahre lang entwickelt. Die Mannschaft hat sich auch ein großes Selbstvertrauen angeeignet und weiß, dass, wenn wir unsere Topleistung abrufen, wir jeden Gegner schlagen können. Das zeichnet sie aus, sie weiß, worauf es ankommt und ist komplett geerdet. Dazu der Rückhalt der Fans, das alles macht das schon zu einer sehr besonderen Sache.“

... darüber, ob er in Österreich ohne Einmischungen des ÖFB schalten und walten konnte, wie er es wollte: „Alles, was hier passiert ist, war Teamarbeit. Wir haben jetzt einen überragend guten Trainerstab mit hoher fachlicher Kompetenz, aber auch mit hohen zwischenmenschlichen Fähigkeiten und einem guten Gespür. Dazu mit Peter Schöttel einen sehr erfahrenen Sportdirektor, der uns auch immer mit Ratschlägen zur Seite steht. Wir haben in allen Bereichen, sei es der Mannschaftskoch, der, so glaube ich, der beste in ganz Europa ist, in der medizinischen Abteilung, im Fitnessbereich, überall absolute Topleute. Das ist keine Aktion eines einzelnen Menschen. Alles, was bei uns in den vergangenen zwei Jahren passiert ist und sich entwickelt hat, basiert auf Teamwork.“

... über die weltpolitische Lage bzw. einen möglichen politischen Rechtsruck und warum er sich als Teamchef politisch äußert: „Ich bin ja nicht nur Teamchef, sondern auch Vater zweier erwachsener Söhne und hoffentlich bald Großvater. Ich habe mich schon in jungen Jahren immer wieder für gesellschaftspolitische Themen interessiert und ich glaube, wir leben in so einer bewegten Zeit, in der man nicht mehr sagen kann, das eine ist Sport und das andere ist Politik und die beiden Dinge haben nichts miteinander zu tun. Ich halte es schon für wichtig, dass Personen, die in der Öffentlichkeit stehen, bei diesen Themen Stellung beziehen. Ich glaube, die Geschichte der vergangenen hundert Jahre, vor allem die von Deutschland und Österreich, sollte uns Lehre genug sein. Wer nach diesen hundert Jahren noch immer nicht verstanden hat, was uns regelmäßig ins Verderben und zu den schlimmsten Verwerfungen geführt hat, die man sich nur vorstellen kann, dem kann man wirklich nicht mehr helfen. Deswegen bleibe ich dabei: Wir müssen gerade auf diesem rechten Auge sehr wachsam sein und sehr, sehr aufpassen. Und die Entwicklungen, die gerade in diesen beiden Ländern diesbezüglich gerade stattfinden, kann man nicht gutheißen.“

... über den Fußball als menschenverbindendes Element: „Wenn man sich die Mannschaften so vieler Länder wie Österreich, Deutschland, Frankreich, Belgien oder Türkei ansieht, wie heterogen die zusammengestellt sind, sowohl was die soziale Herkunft als auch den Geburtsort betrifft, dann gibt es kein besseres Beispiel für Diversität, Zusammenhalt oder Teamgeist als den Fußball. Gerade die Nationalmannschaften sind ein Musterbeispiel dafür. Zum Beispiel David Alaba und seine Vorfahren kommen teilweise von ganz anderen Kontinenten. Wenn man sieht, wie er sich aufopfert. Er ist als Non-Playing-Captain hier dabei und es ist in anderen Ländern wohl unvorstellbar, dass ein Spieler, der mitten in der Reha steckt nach einem Kreuzbandriss, seinen kompletten Urlaub opfert, weil er lieber bei der Mannschaft sein möchte. Weil er lieber dabei sein will und mit seiner ganzen Erfahrung, mir als Teamchef, meinem Trainerstab aber auch den Spielern zur Seite steht. Wenn man auch gesehen hat, wie er mitgefiebert hat. So stelle ich mir nicht nur Fußball vor, sondern so stelle ich es mir auch im normalen Leben vor. Dass wir uns gegenseitig schätzen, anerkennen und nicht nach Kriterien bewerten, die über das Zwischenmenschliche hinausgehen.“

Das Interview in der ZiB 2 sehen Sie hier!