„Gruppensieger, Gruppensieger“, war bis spät in die Nacht in den Straßen Berlins zu hören. Österreichs Fußball-Nationalspieler befanden sich da längst bei einer Feier im Teamhotel, zu der auch ihre Familien und enge Freunde eingeladen waren. Die ÖFB-Kicker waren sich bewusst, was sie mit dem 3:2-Coup am Dienstag gegen die Niederlande geschafft hatten. Ins Achtelfinale gehen sie nun in der Favoritenrolle. „Jetzt beginnt eigentlich erst das Turnier“, meinte Marko Arnautovic.
Video: So feierten die Fans den Erfolg des Nationalteams
Niemand habe der ÖFB-Auswahl in der schweren Gruppe den Poolsieg zugetraut. „Ich schätze mein Team immer auf Topniveau ein“, betonte Arnautovic. Schon gegen Frankreich habe man ein gutes Spiel gezeigt (0:1), gegen Polen dann den unbedingt notwendigen Sieg eingefahren (3:1). Nur wegen des Gruppensieges sei Österreich im Achtelfinale gegen die Türkei, Tschechien oder Georgien aber noch lange nicht Favorit. „Die Nationen, die weiterkommen, sind Topnationen“, behauptete Arnautovic. „In der ‚Knock-out-Stage‘ kann alles passieren. Da musst du gewinnen.“
Tatsächlich würde Österreichs Reise, die nun so richtig Fahrt aufgenommen hat, mit einer Niederlage nächsten Dienstag in Leipzig jäh enden. Arnautovic wollte daher in weiser Voraussicht auch bei den Feierlichkeiten nicht über die Stränge schlagen. „Ich bin schon 35“, erinnerte der Inter-Mailand-Stürmer. „Ich muss langsam machen und schauen, dass ich regeneriere, damit ich dieselbe Qualität beim nächsten Spiel bringen kann.“
Sechs Tage hat das ÖFB-Team Zeit, sich zu erholen. Philipp Lienhart braucht laut eigenen Angaben nach langer Verletzungspause jeden einzelnen davon. Der Freiburg-Legionär wird im Achtelfinale erneut im Abwehrzentrum gefordert sein, zumal es bei Gernot Trauner nach seiner Oberschenkelverletzung ein Wettlauf gegen die Zeit werden wird. „Wir haben jetzt diese schwere Gruppe überstanden. Natürlich wollen wir nochmal weiterkommen, aber kein EM-Spiel ist leicht“, betonte Lienhart.
Teamchef Ralf Rangnick setzte wegen drohender Gelbsperren auf mehrere Reservisten – und das mit Erfolg. „Das zeigt, wie viel Qualität wir im Kader haben“, meinte Lienhart. „Es ist schön, wenn der Trainer so vielen Spielern das Vertrauen gibt. Das schweißt zusammen.“
Ähnlich sah das der eingewechselte Leopold Querfeld. „Man merkt, dass nicht nur eine Breite im Kader ist, sondern dass auch jeder bereit ist – bereit, auch einmal zurückzustecken, wenn er nicht spielt“, sagte der frühere Rapidler, der mit 20 Jahren und 188 Tagen als jüngster ÖFB-Spieler der Geschichte ein EM-Spiel bestritt. Davon trug er eine tiefe Wunde am Oberschenkel vom Stollen eines Gegenspielers, die in der Kabine genäht werden musste.
Weniger gezeichnet war Romano Schmid, der seinen drei Wochen alten Sohn Emilio nach der zwischenzeitlichen 2:1-Führung mit einem Daumenlutscher-Jubel grüßte. Er vermisse seine Familie „extrem“, schilderte der 24-Jährige. „Meine Frau würde vielleicht auch ein bisschen Unterstützung brauchen von mir, deswegen ist man ein bisschen traurig als Papa, wenn man seinen Sohn nicht richtig kennenlernen kann in der Anfangsphase. Aber das werde ich nachholen.“
Die EM-Reise soll noch nicht so schnell zu Ende gehen. „Es fängt erst richtig an. Das sind die coolsten Spiele, cooler geht es nicht im Fußball“, sagte Schmid über die K.o.-Phase. Auf die Favoritenrolle gibt er nicht viel. „Wir gehen jedes Spiel gleich an – mit hoher Intensität. Wenn wir so spielen wie die letzten Spiele, wird es für jeden Gegner schwer.“
Wenn der 1,68 m große Schmid dann auch noch mit Kopftoren zaubert, umso mehr. Sein früherer Werder-Bremen-Kollege Niclas Füllkrug habe ihm bereits gratuliert. „Jeden Tag habe ich von ihm Kopfbälle gesehen, von denen ich nicht verstanden habe, wie die ins Tor gehen können“, sagte Schmid mit einem verschmitzten Grinsen über den deutschen Nationalstürmer. „Da habe ich mir ein bisschen was abgeschaut.“
Schmid stand erstmals in der EM-Startformation. Auch im Achtelfinale ist er nach der Gelbsperre für Patrick Wimmer eine Option. „Ich hab meine Chance genutzt und gezeigt, dass man mit mir rechnen kann“, meinte der Mittelfeldmann. „Wenn man mich braucht, bin ich da.“
Das gilt auch für Maximilian Wöber, der nach seinem Eigentor gegen Frankreich laut eigenen Angaben „im Turnier angekommen“ ist. „Wir haben uns bis jetzt von Partie zu Partie gesteigert. Wenn wir das wieder machen, können wir jeden schlagen“, meinte der Mönchengladbach-Legionär. Die Mannschaft feierte noch eine halbe Stunde nach Spielende vor der Fankurve, im Bus ging die Party zu den Klängen von „Sweet Caroline“ munter weiter. Die Szenen würden für sich sprechen. Wöber: „Das war ein unglaublicher Moment für alle Österreicherinnen und Österreicher.“