Hamburg, 2001. Der Titelkampf in der deutschen Bundesliga entschied sich erst in den letzten Sekunden. Bayern München lag beim HSV 0:1 zurück. Zeitgleich siegte Schalke gegen Unterhaching 5:3, feierte schon den Meistertitel – in der irrigen Annahme, dass das Bayern-Spiel bereits beendet war. Doch Schiri Markus Merk ließ in Hamburg nachspielen, Bayern glich noch zum 1:1 aus – und war Meister. Mittendrin beim Feiern: Verteidiger Willy Sagnol.

Hamburg, 2024. Sagnol kehrte als Trainer der georgischen Nationalmannschaft zurück an die Stätte des Triumphs. Und lieferte erneut Historisches ab – das 1:1 gegen Tschechien war Georgiens erster Punktegewinn bei einer Europameisterschaft.

2001 feierte Willy Sagnol (rechts) mit Bayern München den Meistertitel in Hamburg
2001 feierte Willy Sagnol (rechts) mit Bayern München den Meistertitel in Hamburg © APA

Und dank dieses Punkts lebt für den Außenseiter sogar die Chance auf den Aufstieg ins Achtelfinale. Notwendig dafür: ein Sieg gegen Tabellenführer (und Fixaufsteiger) Portugal in Gelsenkirchen (live ORF 1). Die Portugiesen können nach einem 2:1 gegen Tschechien und einem 3:0 gegen die Türkei nicht mehr von der Spitze verdrängt werden, bei Punktgleichheit mit den Türken würde das direkte Duell für die Iberer entscheiden. Was Coach Roberto Martinez dazu veranlassen könnte, vor Beginn der K.o.-Phase die Startformation durchzurotieren.

Ein Tor, zwei Rekorde

Damit könnte gegen die Balten Cristiano Ronaldo aus der Startelf rutschen, was dem Superstar für gewöhnlich nicht so schmeckt. Der Weltrekordler an Länderspielen jagt unverändert weitere Rekorde und wird ungern daran gehindert. Mit einem Torerfolg hätte er gleich zwei neue in seiner Vita. Er wäre der erste Spieler mit Torerfolgen bei sechs Europameisterschaften sowie mit 39 Jahren auch der älteste Torschütze der EM-Geschichte. Diese Bezeichnung nimmt seit Montag nicht mehr ÖFB-Ex-Teamspieler Ivica Vastic für sich in Anspruch, sondern Luka Modric. Der Kroate traf gegen Italien mit 38 Jahren und 289 Tagen zum 1:0.

Mit Ronaldo beschäftigen sich freilich nicht nur Portugals spanischer Coach Roberto Martinez und die Gegner, sondern indirekt auch die für die Sicherheitsvorkehrungen Verantwortlichen. Nicht weniger als sechs Fans stürmten bei Portugals Sieg über die Türken während der Partie auf das Spielfeld, um Selfies mit Ronaldo zu ergattern. Auf Schalke sollen die Vorbeugungsmaßnahmen nun angezogen werden. „Es wird zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen in den Stadien geben, um den Ansprüchen des Turniers gerecht zu werden“, ließ die UEFA wissen.

Fans sauer auf Montella

Favorit auf Gruppenplatz zwei ist die Türkei, die in Hamburg auf Tschechien trifft (live ServusTV). Allerdings gilt es den 0:3-Dämpfer aus der Portugal-Partie zu verdauen. Trainer Vincenzo Montella hatte sich Kritik eingehandelt, da er Jungstar Arda Güler gegen die Portugiesen nicht von Beginn an gebracht hatte. Das wollen die wieder in Massen im Volksparkstadion erwarteten türkischen Fans nicht mehr sehen. Die Kritik wurde so heftig, dass sich sogar der Präsident des nationalen Verbandes (TFF) einschaltete. Mehmet Büyükeksi stärkte dem 50-jährigen Montella den Rücken.

„Wir haben vollstes Vertrauen in unseren Trainer und unsere Mannschaft“, bekräftigte er. Themen wie Aufstellung, körperliche Verfassung und Spieltaktik würden vom Trainer-Team bestimmt. Die Zusammenarbeit zwischen Trainern und Spielern sei harmonisch. Die Nationalmannschaft dürfe nicht für persönliche Interessen instrumentalisiert werden. „Alle Nationalspieler sind wertvoll“, äußerte Büyükeksi weiter. Nach dem Gewinn der Qualifikationsgruppe vor Kroatien und Wales lechzen die Türken nach einem Turnier-Erfolgserlebnis. 2016 und 2021 war in der EM-Vorrunde Schluss.

Tschechen bangen um Einser-Stürmer

2008 freilich kamen die Türken durch ein 3:2 gegen Tschechien in die K.o.-Runde. Die Tschechen aber haben bisher ähnlich wie Georgien spielerisch nicht enttäuscht. Gewinnen sie, würde das recht wahrscheinlich Platz zwei bedeuten, es ginge dann am Dienstag gegen den Sieger der Österreich-Gruppe D. Die Nation bangt jedoch um den Einsatz von Patrik Schick. Der Leverkusen-Torjäger hatte gegen die Georgier getroffen, Minuten danach ging er mit einer Blessur der Wadenmuskulatur vom Feld. Tschechische Medien berichteten, dass es sich für das Türkei-Match nicht ausgeht.