Es war eine Prüfung, die bisher härteste, der das österreichische Nationalteam unter Ralf Rangnick unterzogen wurde, und sie wurde bestanden. Es wurde Stärke demonstriert und eine schwierige Phase überwunden, in einem Match, das nicht immer den mittlerweile gehobenen Ansprüchen von Mannschaft und Teamchef gerecht wurde. Doch am Ende stand der intensiv ausgekostete, kollektive Jubel der Spieler im Stadion mit den begeisterten Fans und nun startet die Einstimmung auf den nächsten Höhepunkt am Dienstag (18 Uhr), das dritte Gruppenmatch gegen die Niederlande. „Wir sind noch nicht durch, es sieht aber gut aus, mit vier Punkten bist du dabei“, meinte Rangnick. Mit einem Sieg wäre der Einzug ins Achtelfinale Gewissheit, auch drei Punkte könnten reichen.

Video: Das sagen die Fans über den Sieg

Von der Mannschaft und auch vom Nationaltrainer ist mit diesem Erfolg unglaublich viel Ballast abgefallen, das war den Betroffenen nach dem Spiel auch mehr als deutlich anzumerken und sie gestanden dies auch offen ein. „Wir sind alle brutal erleichtert“, meinte der zum „Man of the Match“ gekürte Christoph Baumgartner, der nach seinem Tor in freudiger Erregung auf den Teamchef zugelaufen war. Dieser hatte den Serien-Torschützen nach der ersten Hälfte in der Kabine zu sich geholt und ihm in einem kurzen Vieraugengespräch klargemacht, wie sehr ihn die Mannschaft brauchen würde. Ich habe ihm gesagt „du bist einfach so wichtig für uns“, und der Leipzig-Legionär hörte ganz genau hin und befolgte den Rat.

Wir sind extrem glücklich“, sagte der vom aufreibenden Match noch aufgedrehte Spieler und gab auch zu, dass der Druck im Vorfeld schon sehr groß gewesen sei. „Mehr als ein kurzes Mittagsschlaferl war nicht drin.“ Gleichzeitig blickte Baumgartner schon in die Zukunft. „Wir wissen, was wir noch vorhaben, aber jetzt geht es erst richtig los. Den Sieg werden wir noch ein bisschen genießen, aber dann wird der volle Fokus auf die Holländer gelegt.“

Das Match wurde bewältigt, aber alle Fragen sind keineswegs geklärt. So wird noch gerätselt, wie es denn nach den ersten, so starken, 15 Minuten zu diesem rätselhaften Rückfall der Mannschaft kommen konnte. „Es ist sicherlich eine Kopfsache“, meinte Rangnick, der mutmaßte, es könnte daran gelegen sein, „dass die Jungs dachten, es geht leicht vonstatten, vielleicht war es aber trotzdem der Erwartungsdruck.“ Der Teamchef wies auch auf das „große Leistungsgefälle vor der Pause“ hin. „Vier, fünf Spieler waren stark, andere haben unter ihrem Niveau agiert, und so etwas können wir uns nicht erlauben.“

Arnautovic: „Ich kann es noch immer“

Rangnick lobte das Kollektiv, wollte einzelne Spieler nicht hervorheben, tat es dann aber doch und erwähnte in diesem Zusammenhang Nicolas Seiwald, Philipp Lienhart, der erstmals seit Dezember ein Spiel über die volle Distanz bestritt, sowie auch Marko Arnautovic, der den Elfmeter souverän verwandelt hatte und nach dem Schlusspfiff verbal befreit aufspielte. „Es war nach dem Tor sehr emotional für mich“, meinte der 35-Jährige. Es habe einen Vorfall mit dem Vater gegeben, „aber er war im Stadion, es ist alles wieder gut.“ Die kritischen Stimmen hat er wohl vernommen, er widerspricht. „Man hört immer, der kann das Spiel nicht mehr anziehen, aber ich denke, es ist nicht so, ich kann es noch immer. Gottseidank geht’s mir gut, ich hab Spaß im Nationalteam zu sein und noch mehr Stolz ist dabei, wenn ich die Mannschaft als Kapitän auf den Platz führe.“

Der Teamchef unterstrich selbst die Bedeutung dieses Sieges, das gilt nicht nur für diese Europameisterschaft, sondern für seine gesamte bisherige Arbeit mit der Nationalmannschaft. „Es war das wichtigste Spiel überhaupt, seit ich österreichischer Teamchef bin“, sagte der bald 66-Jährige, an dem die Spuren, die das Match in sein Gesicht gezeichnet hatte, noch nachzuverfolgen waren. Seine Mannschaft hat geliefert. „Ich bin glücklich und zufrieden über den Sieg und über weite Strecken auch mit der Leistung.“

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