„World Champions!“ So bezeichnen sich die Gewinner der großen nordamerikanischen Sportligen NHL (Eishockey), NFL (American Football), NBA (Basketball) und MLB (Baseball) seit jeher. Zugegeben: Die Ligen sind in ihren jeweiligen Sportarten gewiss die stärksten der Welt, dennoch wirkt es schon etwas größenwahnsinnig, sich selbst als weltbestes Team zu feiern, wenn man nur gegen Teams aus den USA und Kanada spielt. Das wäre so, als würde sich der Gewinner der UEFA Champions League als weltbeste Mannschaft feiern, obwohl lediglich Teams aus Europa um den Titel spielen.
Der Anstand der Europäer verbietet es jedoch, sich als Champions-League-Sieger als weltbeste Mannschaft zu feiern. Wenngleich dies wohl so ist. Europa ist – auf Klubebene – sportlich, infrastrukturell und wirtschaftlich der Nabel der Fußball-Welt. Daher wäre es nur logisch, würden bei der derzeit laufenden Europameisterschaft lediglich Spieler aus europäischen Ligen bei den 24 besten Nationalteams des Kontinents dabei sein. Tatsächlich kommt der Großteil der EM-Stars aus den Topligen Europas.
Erste nicht-europäische Liga mit EM-Teilnehmern ist die saudi-arabische Pro League mit insgesamt 14 Akteuren auf Rang zwölf von 41 Ligen. Was den Marktwert betrifft, ist die saudische Liga sogar die Nummer acht dieser EM. Nicht alle Saudi-Legionäre zählen bei ihren Nationalteams während der EM zum Stamm. Andere hingegen schon. Österreich bekam es bereits mit dem 33-jährigen und immer noch unermüdlichen N‘Golo Kanté (FRA) zu tun und lernte, dass dieser auch trotz Wechsels zu Al-Ittihad nichts an seinen Qualitäten einbüßen musste. Auch der 39-jährige Portugal-Star Cristiano Ronaldo (Al-Nassr) hat in der Gruppenphase durchaus zu überzeugen gewusst. Bei Rumänien stand in allen Gruppenspielen ein Saudi-Duo auf dem Feld: Andrei Burca (Al-Okhdood) und Nicolae Stanciu (Damac), der auch bereits traf, sind wichtige Bestandteile der rumänischen Elf.
Bei Belgien findet sich mit Yannick Carrasco ein Spieler von Al-Shabab in der qualitativ hochwertigen Mannschaft im erweiterten Kreis der ersten Elf und auch Kroatien setzte vor dem EM-Aus auf „Saudi“ Marcelo Brozovic (Al-Nassr). Al-Hilal ist durch gleich drei Spieler bei der EM vertreten (gewesen): Während Ruben Neves bei Portugal nicht gesetzt ist, sind die Serben Sergej Milinkovic-Savic und Aleksandar Mitrovic kaum aus ihrem Team wegzudenken. Jack Hendry (Al-Ettifaq) spielte sowohl gegen Deutschland als auch gegen die Schweiz und Ungarn für Schottland jeweils die gesamte Spielzeit.
Im heutigen Achtelfinalduell der Spanier mit Georgien (21 Uhr) sind ebenfalls zwei „Saudis“ mit von der Partie. Aymeric Laporte, seines Zeichens Champions-League-Sieger und mehrfacher englischer Meister mit Manchester City, spielt seit vergangenem Sommer bei Al-Nassr. Bei den Spaniern, die in der Gruppenphase zu überzeugen wussten, kam der Abwehrspieler im Laufe der EM 135 Minuten zum Einsatz. Georgiens Solomon Kvirkvelia spielt ebenfalls in Saudi-Arabien, der Abwehr-Hüne ist bei Al-Okhdood unter Vertrag.
Die Auswahl an Saudi-Arabien-Legionären zeigt: Man muss nicht mehr auf dem höchstmöglichen Klub-Niveau spielen, um bei der Europameisterschaft eine tragende Rolle spielen zu können – solange man individuell gut genug ist. Oder die Saudi Pro League ist gar nicht so schwach, wie viele meinen. Kritiker würden gar so weit gehen und behaupten, der europäische Klubfußball sei einfach nicht so stark, wie man glaubt. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo in der Mitte.