Das 5:1 zum Auftakt dieser EM von Deutschland gegen Schottland war ein Ausrufezeichen. Nicht von den Deutschen, wenngleich der Auftritt solide war. Nein, das Ausrufezeichen kam viel mehr von den Schotten. Erschreckend schwach präsentieren sich die Briten und kamen auch in dieser Höhe völlig verdient unter die Räder, treten sie auch heute gegen die Schweiz so auf, wird es die nächste Niederlage geben. Das wissen auch die zum Auftakt siegreichen EM-Gastgeber, denen in der Vergangenheit immer wieder einmal eine – zumindest – leichte fußballerische Überheblichkeit vorgeworfen wurde. Diesmal aber nicht. Vor dem heutigen zweiten Gruppenspiel gegen Ungarn (18 Uhr) wissen Mittelfeldstratege Toni Kroos, Tormann Manuel Neuer und Co ganz genau, dass die Partie gegen Schottland okay, aber nicht herausragend war. „Ungarn wird eine ganz andere Nummer“, sagt Neuer vor dem Duell in Stuttgart.
Die Magyaren sind so etwas wie der Angstgegner der DFB-Auswahl. Zumindest in der jüngeren Vergangenheit. Bei der EM 2021 gab es lediglich ein 2:2, in der Nations League folgten ein 1:1 sowie ein 1:0-Auswärtssieg der Ungarn in Deutschland. Routinier Thomas Müller warnte nach dem Torfestival zum Turnierstart: „Dieses Emotionsgedusel liest sich immer ganz nett. Aber es trägt dich keiner durchs Turnier. Du musst die Spiele gewinnen.“
Oft ist im zweiten Spiel der Faden gerissen
Und genau das könnte heute zum Problem werden. In der Vergangenheit hat eine deutsche Fußball-Nationalmannschaft bei Großereignis des Öfteren ausgerechnet im zweiten Spiel Federn gelassen. 2016 folgte auf ein 2:0 über die Ukraine ein müdes 0:0 gegen Polen. Bei der WM 2014 wurde Portugal zum Auftakt 4:0 ganz souverän besiegt, danach gab es nur ein 2:2 gegen Ghana. 2010 fertigte Deutschland Australien zum Auftakt 4:0 ab, danach setzte es ein überraschendes 0:1 gegen Serbien und auch bei der EM 2008 in Österreich und der Schweiz gab es nach einem 2:0-Auftaktsieg gegen Polen ein 1:2 gegen Kroatien.
Ungarns Teamchef Marco Rossi versucht sich dennoch im Understatement. „Es ist fast undenkbar, dass gegen Deutschland jemand auf uns setzen wird“, sagt der 59-Jährige. Seine Spieler sind da schon selbstbewusster. „Die großen Nationen fallen uns leichter. Wir haben häufiger Favoriten geärgert, gegen die Deutschen gelang uns das tatsächlich besonders gut“, sagt Leipzig-Profi Willi Orban.
Ex-Salzburg-Goalie Peter Gulacsi, der im Tor der Ungarn steht, sagt: „Underdogs sind wir keine. Favoriten aber auch nicht.“ Der große Star des Teams ist unbestritten Kapitän Dominik Szoboszlai und der Liverpool-Legionär, der in Österreich bei Salzburg spielte, nahm sich kein Blatt vor den Mund. Gegen die Schweiz hätte man noch „Kinderfußball“ gespielt, gegen Deutschland müsse man wie Männer auftreten.