Ein schier endloser rot-weiß-roter Pilgerstrom setzte sich schon am frühen Abend in Bewegung. Nicht daheim, in Düsseldorf, auf dem Weg zum Rheinpark in Richtung Stadion. Laut inoffiziellen Schätzungen sollen es an die 35.000 Fans gewesen sein, die die Rheinland-Metropole in der Innenstadt im Laufe des Tages rot einfärbten. 25.000 hatten digitale Karten, die anderen reisten ohne an, sie hielten Kartons mit der Aufschrift „Searching for Tickets“ in die Höhe oder genossen die prachtvolle Stimmung in der Fanmeile entlang des Flussufers, wo eine Kneipe sich an die nächste reiht und Namen trägt wie „Sylter Fischkutter“.
Die Betreiber legten für die Gäste Austropop auf, die Fans sangen in mächtigen Chören dazu und ließen sich von den Einheimischen bereitwillig filmen in ihren Lederhosen, Trikots, Irokesenfrisuren oder zylinderförmigen Hüten mit der Aufschrift „So rockt das Leben“. Die Franzosen waren an diesem Nachmittag zumindest cheoreografisch und zahlenmäßig klar unterlegen. Einige von ihnen, eingehüllt in Tricolore-Fahnen, auf Plastikhähnen reitend oder als Obelix verkleidet, näherten sich den österreichischen Fans und riefen ihnen „Good luck“ zu, und es war unklar, ob es eine Ermutigung oder eine sanfte Drohung war.
Ein Sieger stand schon vor dem Match fest, die Stadt als Gastgeber und die gnadenlose Logik des freien Marktes. Wer spät ein Ticket erstand, aber noch keine Schlafstätte hatte, bezahlte in den vergangenen Tagen laut Auskunft von Betroffenen bis zu 1100 Euro für eine Übernachtung. Gallige Zusatzbemerkung: „Das ist aber bitte kein Vierstern- oder Fünfsternhotel“. Taxifahrer schalteten die Zähluhr aus und kassierten schwarz, bar und nach Gutdünken. Die Flüge am Sonntag und Montag von Wien nach Düsseldorf waren nicht nur restlos ausverkauft, sondern zudem überbucht. Wer auf Wartelisten landete, machte aberwitzige Lockangebote bis zu tausend Euro, in der lauten Hoffnung, dass der eine oder andere fix Gebuchte seinen Platz in Aussicht eines satten Gewinns doch noch opfern und wieder heimfahren würde.
In Düsseldorf selbst steigerten sich unterdessen Spannung und Vorfreude auf die große Begegnung. Die Massen verwandelten die Stadt in einen farbenfrohen Karneval, etwas, das man sonst nur vom Nachbar Köln kennt. „That’s what Europe is about“, meinte ein Rheinländer am Geländer des Uferkais im Gespräch mit einem Franzosen, als dieser auf den randvollen Sylter Fischkutter mit dem rot-weiß-roten Menschenmeer hinunterknipste. Was er als vom Spiel und den Österreichern erwarte? „Et kütt wie et kütt“, antwortete der Düsseldorfer. Man möge sich fügen. Es komme, wie es komme. Es klang wie ein leiser Trost.