Gehen wir mal die Torschützenkönige der Top-5-Ligen durch. Premier League: Erling Haaland. Kennt man, gerade in Österreich. Ligue 1: Kylian Mbappe. Kennt man, allerallerspätestens heute Abend auch in Österreich. Deutschland: Harry Kane. Auf Titelfeiern unbekannt, aber fraglos einer der besten Stürmer seiner Generation. Serie A: Lautaro Martinez, Weltmeister. La Liga: Artem Dovbyk. Artem Wer?
Im Vergleich zu seinen Goalgetter-Kollegen ist der beste Torjäger der spanischen Liga einer breiteren Öffentlichkeit vermutlich nicht bekannt. Das ist wenig verwunderlich, denn so richtig ging der internationale Stern des 26-Jährigen erst in dieser Saison auf. 24 Mal durfte er für Überraschungsteam FC Girona seinen Büffel-Jubel auspacken und entschied somit ein kurioses Rennen um die Pichichi-Trophäe gegen Alexander Sörloth für sich. Der Norweger in Diensten von Villarreal setzte am vorletzten Spieltag mit einem Viererpack gegen Real Madrid zu einem Überholmanöver an, von dem er seinen Enkeln erzählen hätte können. Dovbyk konterte in der finalen Runde mit einem Dreierpack beim 7:0 gegen Granada, während sein Kontrahent verletzt w.o. geben musste.
Dovbyk wird nun mit einem Transfer zu großen Namen des Fußball-Geschäfts in Verbindung gebracht. Genannt werden unter anderem Atletico, Arsenal, Napoli und Milan. Schon sein Wechsel nach Spanien basierte auf zwei Schützentiteln. 2022 und 2023 gelang ihm dieses Kunststück für SK Dnipro-1 in der Ukraine. Nicht schlecht für jemanden, der in jüngeren Jahren bei Engagements in Moldawien und Dänemark nur bedingt aufzufallen wusste.
Aktuell steht jedoch nicht die Vereinszukunft im Mittelpunkt, sondern Dovbyk möchte mit seinem Land bei der Europameisterschaft internationale Schlagzeilen schreiben. Dass dies angesichts der Situation in seiner Heimat nicht rein sportlich gemeint ist, bringt die Weltpolitik mit sich. Fußball und Krieg lassen sich in dieser Gemengelage nur schwer trennen.
Frau und Sohn mussten flüchten
„Als der Krieg begann, flüchteten meine Frau und mein Sohn. Sie waren Tage unterwegs und hörten in der Ferne die Bomben einschlagen“, zitiert der „Kicker“ den Stürmer. Im Fachblatt erzählt ein führender Militär, dass man mit Spendengeldern Dovbyks Drohnen, Autos oder Generatoren erworben habe: „Artem hat das nie selbst publik gemacht.“ Wofür der Goalgetter sehr wohl öffentlich eintritt: Dass der Krieg in seiner Heimat nicht vergessen werde. Dieses Gefühl hatte er in Folge seines Wechsels nach Spanien im Sommer 2023 bisweilen in seiner Wahlheimat.
In einer spannenden Nationalelf kommt Dovbyk mitunter nur von der Bank, zählt aber dennoch zu den prägenden Figuren. Im Playoff der EM-Qualifikation war es sein Tor, das den so wichtigen 2:1-Auswärtssieg in Bosnien-Herzegowina sicherstellte. Sein erster Treffer für das A-Team der Ukraine ist bis heute sein wichtigster. Bei der EM 2021 kam Dovbyk lediglich 14 Minuten lang zum Einsatz, die er jedoch effizient dazu nutzte, um den damaligen Gruppengegner Österreichs in der Nachspielzeit der Verlängerung gegen Schweden ins Viertelfinale zu köpfeln. Sein Trikot aus diesem Match ließ er unlängst versteigern. Der Erlös von gut 3000 Euro ging an die Armee.