Ein Steirer-Sextett bereichert bei der EM das ÖFB-Team. Mit Michael Gregoritsch, Marcel Sabitzer, Stefan Posch und Kevin Danso haben vier davon ausgezeichnete Chancen auf einen Stammplatz. Romano Schmid darf hoffen, ein Ticket für die Startelf zu lösen. Florian Kainz muss vermutlich um Einsatzzeit kämpfen. Alle sechs Steirer eint, dass sie ihr Geld in Topligen verdienen, und der Weg dahin mit einem spannenden Werdegang verbunden ist.
Michael Gregoritsch: Es gibt Momente, die bleiben. gerade im Fußball. Avanciert man vier Tage vor dem 16. Geburtstag zum jüngsten Torschützen der Bundesliga-Geschichte, ist dies so ein Moment. Mittlerweile ist Michael Gregoritsch 30, sein Rekord besteht nach wie vor und vermutlich auch noch längere Zeit. Eineinhalb Jahrzehnte später bieten sich immer noch genügend Gelegenheiten, um zu erzählen, wie das damals war am 14. April 2010, als er beim Debüt kurz nach seiner Einwechslung gegen Austria Wien für Kapfenberg zuschlug. Auf das Feld geschickt ausgerechnet von Trainer-Papa Werner Gregoritsch, dem Murren so mancher Zuschauer zum Trotz.
Dass er der Obersteiermark bald entwachsen würde, war absehbar. Deutschland wurde zur Wahlheimat. Via Hoffenheim, St. Pauli, Bochum und HSV kam er zu Augsburg, für den er erstmals zweistellig in einer Saison der deutschen Bundesliga anschrieb, jedoch auch schwierige Zeiten samt Leihe zu Schalke erlebte. Im Rückblick legte dieses Tief die Basis für das aktuelle Hoch, das Gregoritsch bei Freiburg und im ÖFB-Team erlebt. Der Stürmer erfand sich neu, bringt sich nun mehr in die Arbeit gegen den Ball ein. Gerade beim ÖFB musste „Gregerl“ lange Geduld beweisen, war mit vier Treffern in der Qualifikation jedoch eine der Schlüsselarbeitskräfte auf dem Weg zur EM.
Marcel Sabitzer: Apropos Schlüsselarbeitskraft. Es finden sich weitere Parallelen zu Gregoritsch. Auch Marcels Papa Herfried fällt in die Kategorie Fußball-Haudegen mit Profi-Vergangenheit. Sabitzer Jr. Und Gregoritsch Jr. kickten bereits im Alter von sieben Jahren Seite an Seite in der GAK-Jugend. Beide wurden im Frühjahr 1994 geboren, durchliefen diverse Junioren-Nationalteams Hand in Hand. Sabitzer fiel ebenfalls früh im Profi-Fußball auf, konkret mit 16 bei der Admira.
„Gregerl“ wird die Bewertung verzeihen, dass Sabitzer die glamourösere Vereins-Karriere hinlegt. Nach einem Jahr bei Rapid führte selbige nämlich in den „Bullen“-Stall nach Salzburg und Leipzig, von dort schließlich zu Weltvereinen wie Bayern, Manchester United und Dortmund. Mit dem BVB verlor er Anfang Juni das Champions-League-Finale gegen Real Madrid. Ein schwerer Tiefschlag, in dessen Folge Sabitzer Größe bewies und seine Teilnahme am Test gegen die Schweiz aus mentalen Gründen absagte. Er sei noch nicht so weit. Bei der Euro werde er aber voll auf der Höhe sein, versprach der Allrounder. Nach inzwischen 78 Länderspielen ließ er seine Kritiker ohnehin längst verstummen.
Stefan Posch: In seiner Heimatgemeinde Kraubath ist der Abwehrspieler längst Ehrenbürger. Um fußballerisch durchzustarten, verließ er die Steiermark jedoch früh und wählte gleich wie Sabitzer den Weg über die Admira. Mit 14 übersiedelte er in die Südstadt, mit 16 klopfte Arsenal an, mit 18 klappte der Sprung ins Ausland zu Hoffenheim. Bei den Deutschen diente sich Posch nach oben. Sein wahres Glück fand der 27-Jährige jedoch erst in Italien. Bei Bologna wurde der Innen- zum Rechtsverteidiger umgeschult. In seiner ersten Saison in der Emilia Romagna überzeugte er mit sechs Treffern als torgefährlichster Abwehrspieler der Serie A, in der abgelaufenen Spielzeit gelang sensationell der Sprung in die Champions League.
Es läuft beim Jung-Papa, der auch bei der EM aufzeigen möchte. Sein Kopfballtreffer im Herbst 2019 gegen Slowenien half auf dem Weg zur letzten EM extrem. Beim 2021 ausgetragenen Turnier spielte er keine Rolle. Dies ärgert Posch nach wie vor. Sorgen um den Stammplatz gibt es keine mehr. Posch ist fix gesetzt.
Kevin Danso: Es wäre keine Überraschung, wenn an der Seite von Posch auf der Position des rechten Innenverteidigers Kevin Danso zum Zug kommt. Als Kind in Voitsberg wollte er Action-Star werden, später Rugby-Spieler. Gott sei Dank fiel die Wahl dann doch auf den Fußball. Damit hat womöglich die Übersiedlung aus der Weststeiermark ins Mutterland des Fußballs zu tun, als Danso sechs Jahre alt war. In England kickte er in der Jugend von Reading und Milton Keynes, ehe es mit 15 wieder in deutschsprachige Gefilde ging.
In Augsburg spielte er schon als Teenager seine körperlichen Vorzüge aus, brillierte mit seiner Wucht und debütierte noch 18-jährig im ÖFB-Team. Auf dem Weg nach oben mussten jedoch Umwege her. Eine Leihe in die Premier League zu Southampton klappte nicht nach Wunsch, also empfahl sich Danso in der zweiten deutschen Liga bei Düsseldorf neu. Lens schaute genau hin, bei den Franzosen gelang der große Durchbruch. Zwischendurch adelte ihn Trainer Franck Haise als einen der besten Innenverteidiger Europas. Dies gilt es bei der EM zu beweisen. Denn Danso betont offen, dass er nach drei Jahren in Lens den nächsten Schritt gehen möchte.
Florian Kainz: Bei Kainz bleibt der nächste Schritt aus. Als Kapitän des 1. FC Köln hält er dem Klub auch nach dem Abstieg in die zweite Liga die Treue. Nach fünf Jahren sei die Stadt zu seiner zweiten Heimat geworden, betont der Grazer. In seiner Heimatstadt fiel er sportlich erstmals 17-jährig mit einem rotzfrechen Auftritt für Sturm gegen Juventus auf. Mit den „Blackies“ wurde Kainz 2011 Meister, doch 2014 war die Zeit reif für einen Tapetenwechsel. Dass er diesen bei Rapid anstrebte, sorgte – höflich formuliert – für Unverständnis beim schwarz-weißen Anhang. Der Offensivspieler wurde beim nächsten Duell zum „Sauschädl-Essen“ eingeladen. Dies war nicht freundlich gemeint. Neben dem auf der Tribüne platzierten Schweinekopf brannte ein Kainz-Trikot.
Aus beruflicher Perspektive ergab die Unterschrift in Hütteldorf Sinn. Kainz spielte speziell in der Saison 2015/16 großartig, schaffte es zwar nicht in den EM-Kader Österreichs, dafür allerdings zu Werder Bremen. Sein Glück fand er jedoch erst in Köln, wo er „emotionale Ausnahmesituationen“ erlebte, wie er sagt.
Romano Schmid: Kainz wurde in Bremen nicht sesshaft, ein anderer Ex-Sturm-Youngster fühlt sich dort seit mittlerweile vier Jahren heimisch. Ähnlich wie bei Gregoritsch gibt es auch beim Offensivakteur einen speziellen Moment, bei Schmid wird er für immer bleiben. Denn es kann nun mal lediglich einen ersten in den 2000ern geborenen Bundesliga-Torschützen geben. 17 Jahre alt war er, als er im dritten und letzten Liga-Spiel für Sturm gegen Austria Wien netzte. Wenig später zog das Supertalent eine Ausstiegsklausel und ging nach Salzburg.
Bei den „Bullen“ klappte es nicht nach Wunsch, was Werder für einen Transfer nutzte und leihweise Lehrjahre in Wolfsberg gewährte. Schmid arbeitete sich Schritt für Schritt nach oben und ist auch im Nationalteam auf dem besten Weg, sich im erweiterten Stamm zu etablieren. Wie sehr er für die Chance bei der EM brennt, stellte er erst unlängst unter Beweis. Söhnchen Emilio erblickte in Graz das Licht der Welt. Schmid rückte so flott wie möglich wieder ins ÖFB-Camp ein. „Perfektes Timing“, fand Teamchef Ralf Rangnick.