Als das Auftaktspiel der Euro 2024 nach der zeitlich knapp kalkulierten Eröffnungsfeier mit zwei Minuten Verspätung angepfiffen wurde, lag Schottland in Führung. Die Fans der Gäste hatten tagsüber vom gesamten Spielraum der Münchner City Besitz ergriffen und das Stadtbild dominiert. Doch Deutschland konterte auf fußballerische Weise und war nicht nur um den raschen Ausgleich bemüht, sondern darauf hintrainiert, das Duell umgehend unter Kontrolle zu bringen. Die Spieler hielten sich unverzüglich an die Vorgaben des Bundestrainers. Die in den Anfangssekunden noch durchdringende Stimmgewalt der Schotten kam rasch zum Erliegen, das deutsche Team hatte schon früh den Wunsch von Julian Nagelsmann nach einem „guten Start“ übererfüllt.

Am Ende war es einfach „schön, wie ist das schön“, wie die Fans skandierten. Oder, um den so oft strapazierten Vergleich mit der Heim-WM 2006 weiterzuführen: Es war nicht nur schön, es war märchenhaft! 4:0 (3:0) schoss die DFB-Elf Schottland aus der Arena in München, begeisterte, tänzelte, dominierte und verwertete eiskalt. Klar, dass es da heißen muss: Kapitel eins des „Sommermärchens 2.0“ ist geschrieben.

Die Rollen waren von der ersten Sekunde an klar verteilt. Die Deutschen ließen den Ball kaum von ihren Füßen und niemals aus den Augen, die Schotten sahen sich auf der anderen Seite außerstande, adäquat zu reagieren. Während die Nagelsmann-Elf stets den Versuch unternahm, das Geschehen möglichst variantenreich zu gestalten, wussten die Gegner nicht einmal, wo sie ansetzen sollten. Sie konnten den Spielzügen der Heimmannschaft nicht folgen und deren Gedanken schon gar nicht, sie waren in ihrer Schlichtheit überfordert. So fiel das 1:0 auf ebenso einfach aussehende wie sehr schön herausgespielte Weise. Nach einem wunderbaren Seitenwechsel von Toni Kroos legte Joshua Kimmich auf für Florian Wirtz, der abzog und die Arena zum Toben brachte.

Auf den Treffer folgten eine kurze Beruhigung der Lage und sodann das Bestreben der führenden Elf, nachzusetzen, denn sie erkannten die erstaunliche Harmlosigkeit der Schotten, die auch bei der Aufteilung des Raumes schwer benachteiligt waren. Abgesehen von der höchst unterschiedlich ausgeprägten individuellen spielerischen Klasse war auch die taktische Überlegenheit der deutschen Mannschaft eine eklatante. Das 2:0 entsprang einer tollen Kombination aus Ästhetik und technischer Raffinesse, ausgeführt von Kroos, Ilkay Gündogan, Kai Havertz und Jamal Musiala, der herrlich vollendete. Als noch vor der Pause Ryan Porteous Gündogan böse foulte, der Schotte dafür die erste Rote dieser Euro sah und Havertz den Strafstoß verwandelte, war die Partie erledigt.

Die zweite Hälfte war ein Schaulaufen, eine Demonstration der Stärke. Mit logischer Folge: Der eingewechselte Niclas Füllkrug traf zum 4:0 (68.), ein hauchdünnes Abseits verhinderte seinen Doppelpack. Deutschland hat die Spielfreude gefunden, das Publikum goutierte es mit „Ahs“ und „Ohs“. Das konnte auch ein unglückliches Eigentor von Antonio Rüdiger nicht trüben (87.). Insbesondere, weil der nachberufene Emre Can noch den viel umjubelten Schlusspunkt setzte (93.).

„Wir wollten logischerweise gut starten, das haben wir gemacht“, sagte Reals Toni Kroos. „Wir haben Schottland nie ins Spiel kommen lassen und souverän gewonnen. Wir haben uns belohnt für eine gute Anfangsphase. Das gibt einer Mannschaft beim ersten Spiel einer Heim-EM auch Selbstvertrauen. Dazu war der Gegner natürlich auch nicht in Topform, spätestens nach der Roten Karte war es entschieden.“

Schottland-Kapitän Andy Robertson war verständlicherweise ernüchtert: „Gegen den Gastgeber im ersten Spiel zu spielen, es geht nicht viel schwieriger. Bei uns sind viele Dinge falsch gelaufen, wir sind nicht auf unser maximales Leistungslevel gekommen. Wir müssen das schnell aufarbeiten, weil es im Turnier Schlag auf Schlag geht. Morgen ist der Tag, um noch verärgert und enttäuscht zu sein, dann müssen wir wieder positiv nach vorne schauen und in einer weiteren harten Prüfung gegen die Schweiz bereit sein.“