Dieses Phänomen würde es in vielen Ländern geben, glaubt Vitezslav Jaros. „In Argentinien gibt es bestimmt viele neue Messis“, lacht der Frühjahrs-Torhüter des SK Sturm, der inzwischen offiziell verabschiedet wurde. Wer in seiner Heimat Tschechien das Idol ist, dem alle nacheifern und mit dem Youngsters gerne verglichen werden, ist nicht allzu schwer zu erraten.

„Im Prinzip ist fast jeder junge Tormann, der sehr talentiert ist und den Durchbruch schafft, der ‚neue Petr Cech‘. Er ist nun mal wahrscheinlich die größte Legende der Tschechischen Republik, also wird jeder Keeper mit ihm verglichen, ob er nahe an Petr rankommt. Aber so ist der Fußball“, findet Jaros.

Mit 124 Länderspielen ist Cech der Rekordinternationale Tschechiens und auch siebenfacher Fußballer des Jahres in seinem Heimatland. Sein internationaler Legendenstatus als einer der besten Torhüter seiner Generation beruht vor allem auf seiner Ära bei Chelsea. Mit dem Klub aus London gewann er sowohl die Champions League als auch die Europa League und eroberte je vier Mal den Premier-League-Titel und den FA-Cup-Sieg. Gegen Ende seiner Laufbahn legte der heute 42-Jährige mit dem Lokalrivalen Arsenal einen weiteren Pokalsieg nach.

Jaros feiert Länderspiel-Debüt

Auch Jaros bastelt bereits fleißig an seiner Titel-Sammlung. Zum Double mit Sturm in dieser Saison kommt noch ein Cupsieg in Irland 2021 mit St. Patrick‘s Athletic. Auch dort war er als Leihgabe des FC Liverpool stationiert. Nationalteam-Relevanz erlangte der 22-Jährige jedoch erst mit seinen starken Leistungen in Graz, die ihm eine Nominierung für die Euro eingebracht haben. Am 7. Juni erfüllte sich in Grödig mit dem Länderspiel-Debüt ein großer Traum. Jaros wurde beim 7:1 im Test gegen Malta für die zweite Halbzeit eingewechselt.

Generell ist es so eine Sache mit den „neuen Cechs“. Seit der Gottvater der tschechischen Torhüter nach der Euro 2016 seine Nationalteam-Karriere beendet hat, konnte kein Goalie nachhaltig in seine Fußstapfen treten. Am ehesten Tomas Vaclik, doch der ist inzwischen 35 und steht in der zweiten spanischen Liga bei Albacete unter Vertrag. Jiri Pavlenka verlor in dieser Spielzeit seinen Stammplatz bei Werder Bremen und in der Folge auch im Nationalteam.

Unerfahrenes Tormann-Trio bei EM

Also ist es ein auf Länderspiel-Ebene vergleichsweise unerfahrenes Trio, mit dem Tschechien das EM-Abenteuer in Angriff nimmt. Jindrich Stanek (28) von Slavia Prag hat zehn Länderspiele im Lebenslauf stehen, Bayer Leverkusens Europacup- und Pokal-Torhüter Matej Kovar (24) deren zwei. Dazu kommt Neo-Teamspieler Jaros.

Tschechien rechnet sich in einer Gruppe mit Portugal, der Türkei und Georgien gute Chancen auf ein Weiterkommen aus. Das ist laut dem bisherigen Sturm-Schlussmann auch das erklärte Ziel: „Die Qualität dafür haben wir auf jeden Fall. Dann wird es auf die Tagesform ankommen. Sollte der Aufstieg gelingen, setzen wir uns kein Limit.“

Die EM-Spezialisten

Mut könnte geben, dass Tschechien zwar eine blasse WM-Historie vorweist (Gruppen-Aus 2006 als „Highlight“), sich bei Europameisterschaften jedoch gerne bestens gelaunt präsentiert. 1996 erreichte man das Finale gegen Deutschland, 2004 das Semifinale, 2012 und 2021 drang man jeweils bis ins Viertelfinale vor – vor drei Jahren stellte man mit Patrik Schick (fünf Treffer) auch den Torschützenkönig. Noch als Tschechoslowakei krönte man sich 1976 gar zum Europameister.

„Tschechien war sehr gut in der Vergangenheit, gerade in den 90ern und Nuller-Jahren“, weiß Jaros um die Bewunderung der Fans für diese mit Stars gespickte Goldene Generation, „doch wir werden nicht verglichen. Die Leute sehen uns als neues Team und hoffen, dass wir sehr gut abschneiden.“

Die Freundschaft mit Kiteishvili ruht nicht

Ein gutes Abschneiden könnte auf Kosten eines anderen Sturm-Stars gehen. Otar Kiteishvili möchte mit Außenseiter Georgien für eine Sensation sorgen. Das gute Verhältnis der beiden schwarz-weißen Double-Helden wird während der EM jedoch nicht auf Eis gelegt. „Natürlich nicht!“, lacht Jaros, „‘Kite‘ ist ein viel zu netter Kerl, um nicht mit ihm befreundet zu sein.“