Wenn sich eine Fußball-Großveranstaltung wie die UEFA Euro 2024 im Anrollmodus befindet, dann gibt es eine Mannschaft, die sich im Laufe der Geschichte ein Abo auf den Favoritenstatus erarbeitet hat. Ist diese Auswahl dann auch noch Gastgeber, muss dem „Anwärter“ ein „Top“ vorangesetzt werden. Dabei waren zwischendurch berechtigte Zweifel daran aufgekommen, dass Deutschland wirklich in der Lage sei, die Heim-Europameisterschaft 2024 zu gewinnen. Mittlerweile hat sich alles wieder eingerenkt.

Deutschland ist nicht mehr Deutschland, hieß es noch am Ende des vergangenen Jahres. Das Team hatte auch unter dem seit Ende September 2023 als Bundestrainer amtierenden Julian Nagelsmann keine Anhaltspunkte dafür geliefert, tatsächlich als Titelkandidat gehandelt zu werden. Vielmehr war den Deutschen vor allem nach der hochverdienten 0:2-Niederlage im Testmatch gegen Österreich eher eine definitive Chancenlosigkeit attestiert worden.

Dazu kam, dass die Mannschaft schon in den Jahren davor vom Erfolgsweg in beträchtlichem Ausmaß abgewichen war. Bei den Weltmeisterschaften 2018 und 2022 kam jeweils nach der Gruppenphase das Aus – zuvor für praktisch unmöglich gehaltene Szenarien, bei der Euro 2021 erfolgte der Abschied durch eine 0:2-Achtelfinalniederlage gegen England. Der Ruf der Turniermannschaft hatte sich de facto verflüchtigt.

Chris Führich (3 Länderspiele), Aleksandar Pavlovic und Maximilian Beier (jeweils 0)
Chris Führich (3 Länderspiele), Aleksandar Pavlovic und Maximilian Beier (jeweils 0) © IMAGO / Steinbrenner

Aber, siehe da, innerhalb weniger Wochen erfolgte eine nahezu wundersame Wandlung. Die März-Länderspiele der DFB-Auswahl wurden als wahrhaftiger Triumphzug vermarktet, nachdem innerhalb weniger Tage sowohl Frankreich (2:0, auswärts) und die Niederlande (2:1, daheim) bezwungen worden waren, nach durchaus ansehnlichen Leistungen. Dass es sich dabei zufälligerweise um Österreichs Gruppengegner handelte, sei hier am Rande vermerkt. Julian Nagelsmann galt fortan als der neue Heilsverkünder der deutschen Nationalmannschaft.

Die Geschichte wurde fast als Wunder verkauft. Kein Wunder war es, dass der FC Bayern in seinem Werben bei seinem Ex-Trainer abblitzte, dieser zog es vor, den Vertrag mit dem DFB zu verlängern. Der verloren geglaubte EM-Gastgeber Deutschland zählt somit wieder zu den Top-Favoriten auf den EM-Titel. Bei den Wettanbietern wird Nagelsmanns Team hinter England und Frankreich als Anwärter Nummer drei gehandelt. Das hängt damit zusammen, dass die Mannschaft wieder eine spielerische Linie gefunden hat und damit auch das Selbstbewusstsein zurückgekehrt ist, einstmals die größte deutsche Stärke.

Ein inhomogenes Bild lieferten die Deutschen allerdings in den letzten Übungsspielen ab. Gegen die Ukraine gab es trotz eines starken Auftritts nur ein 0:0, gegen Griechenland gelang erst durch ein Tor kurz vor Schluss ein 2:1-Erfolg. Das hätte bei besserer Chancenauswertung der Hellenen durchaus daneben gehen können.

Im Kader fällt auf, dass neben einigen Routiniers, darunter mit Toni Kroos, Thomas Müller und Manuel Neuer (über den nach dem letzten Testmatch wieder diskutiert wird) auch drei Weltmeister von 2014, auch elf Spieler mit dabei sind, die insgesamt auf 25 nationale Einsätze kommen, auch drei Debütanten gehören dazu, Torhüter Oliver Baumann (Hoffenheim) sowie Aleksandar Pavlovic (Bayern) und Maximilian Beier (Hoffenheim). Sechs Spieler stellt der FC Bayern, vier kommen von Vizemeister Stuttgart, drei von Meister Leverkusen.