Im vergangenen Jahr konnte man auf diversen Plattformen häufig lesen, dass Fußballfans sich die Weltmeisterschaft der Männer in Katar aufgrund brisanter Themen (Menschenrechte etc.) ersparen und dafür auf die Großereignisse der Frauen ausweichen würden: die EM 2022 in England sowie die aktuell laufende WM in Neuseeland und Australien. "Nach den Enttäuschungen in Katar könnte es in einigen Ländern erstmals mehr öffentliches Interesse an einer Frauen-Fußball-WM geben als beim männlichen Pendant", sagte Jörg-Uwe Nieland, der am Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft an der Universität Klagenfurt forscht und lehrt, vor dem Turnier. Nach elf Tagen und stundenlanger Liveberichterstattung in ORF 1 muss man allerdings ernüchternd sagen: Das Interesse, es hält sich in Österreich in Grenzen.
Wohl auch, weil die rot-weiß-rote Auswahl nicht dabei ist. Das Eröffnungsspiel sahen im ORF durchschnittlich lediglich 21.000 Zuseherinnen und Zuseher. Das bislang meistgesehene Spiel war in Österreich die Partie Deutschland gegen Kolumbien am Sonntag mit durchschnittlichen 151.000 Fernsehzusehern. Zum Vergleich: Das Eröffnungsspiel bei der WM in Katar 2022 sahen im ORF durchschnittlich 627.000 Personen. Was erschwerend hinzukommt: Die Spieltermine in Neuseeland und Australien sind für europäische Zuschauer aufgrund der Zeitverschiebung nicht gerade die besten, von Primetime keine Spur.

Und doch: Trotz der eher ernüchternden TV-Zahlen wird auch diesmal mehr über die WM der Frauen berichtet als jemals zuvor. Das betrifft sämtliche Medien auf Print-, Online- und TV-Ebene. "Die Sommerpause, in der es meist weniger Sportgroßereignisse und vor allem keine nationalen wie internationalen Fußballwettbewerbe gibt, unterstützt das zusätzlich", sagt Nieland.

Volle Stadien

An den Veranstaltungsorten selbst ist das Interesse jedoch enorm. Die 42.137 Zuschauer beim Eröffnungsspiel von Neuseeland sind ein nationaler Rekord – sowohl bei den Frauen als auch den Männern. 75.784 Fans füllten die Arena in Sydney bei Australiens Sieg gegen Irland – so viele Zuseher waren seit 24 Jahren bei keinem Spiel der Frauen-WM mehr, damals wurde das Turnier im Land des Rekordweltmeisters USA ausgetragen. "Ich bin ein glücklicher Mann", sagt FIFA-Präsident Gianni Infantino. "Es ist ein Riesenerfolg. Großartige Spiele, tolle Tore und Außenseiter, die für Überraschungen sorgen oder den Favoriten zumindest das Leben schwer machen. Das Turnier bietet von Anfang an alles, was man sich wünschen kann."

Im Schnitt besuchten bisher 26.509 Fans die WM-Spiele in Ozeanien, somit hat man die Anzahl der Stadionbesucher im Vergleich zum Turnier 2019 in Frankreich bereits um rund 50 Prozent erhöht. Und man wird wohl auch den Allzeitrekord knacken. Bei der Endrunde 2015 in Kanada strömten insgesamt 1.353.506 Fans in die Stadien, aktuell hält man bereits bei 901.311 Zuschauern. Und das nach 34 von insgesamt 64 Spielen.

Heute (12 Uhr) fallen in Gruppe B die Entscheidungen um den Einzug in die K.o.-Phase. Und mit der Partie von Co-Gastgeber Australien gegen Kanada ist ein volles Stadion in Melbourne garantiert. Für Australien zählt nur ein Sieg, liegen die Gastgeberinnen doch einen Zähler hinter Kanada und Nigeria. Die Afrikanerinnen treffen zum Abschluss der Gruppenphase auf die bisher noch punktelosen Spielerinnen aus Irland.