Englands Frauen-Fußball-Nationalteam hat die titellose Zeit am Sonntag endlich beendet. Die Gastgeberinnen behielten im Finale im Londoner Wembley Stadium gegen Rekordchampion Deutschland knapp mit 2:1 nach Verlängerung die Oberhand und krönten sich damit zum ersten Mal zum Europameister. Englands Teamchefin Sarina Wiegman gelang das Kunststück, nach 2017 noch mit dem damaligen Turnier-Ausrichter Niederlande zum zweiten Mal in Folge den EM-Titel als Trainerin zu holen.
Ella Toone (62.) brachte die Engländerinnen voran, Lina Magull (79.) rettete den Viertelfinal-Bezwinger von Österreich in die Verlängerung. Dort avancierte mit Chloe Kelly (110.) eine Wechselspielerin zur Matchwinnerin, sie riss sich beim Torjubel euphorisiert das Trikot vom Leibe. Erfreut war auch ein Großteil der 87.192 Zuschauer, die für eine neue EM-Rekordkulisse sorgten, nachdem die bisherige Bestmarke beim Eröffnungsspiel von England gegen Österreich (1:0) mit 68.871 Fans am 6. Juli im Old Trafford Stadium aufgestellt worden war.
Nach den Finalniederlagen 1984 (noch in zwei Matches gegen Schweden) sowie 2009 gegen Deutschland (2:6) waren für die Engländerinnen aller guten Dinge drei. Sie fixierten den ersten großen Titel für ein englisches Team seit der Männer-WM im eigenen Land 1966. Deutschland ging hingegen nach dem Viertelfinal-Out 2017 neuerlich leer aus, nachdem zuvor gleich sechs der bisher acht Triumphe am Stück eingefahren worden waren.
Bittere Nachrichten vor Spielbeginn
Wiegman setzte auf ihre altbewährte Formation, die auch beim Halbfinal-4:0 gegen Schweden begonnen hatte. Bei den Deutschen gab es einen zusätzlichen bitteren Ausfall. Alexandra Popp, die zuvor in jeder Partie und insgesamt sechsmal getroffen hatte, musste nach dem Aufwärmen wegen muskulärer Probleme passen. Dafür rückte mit Lea Schüller jene Stürmerin in die Startelf, die vor Turnierbeginn eigentlich als vorne gesetzt galt, dann aber wegen einer Coronavirus-Infektion keine Rolle gespielt hatte.
Die Engländerinnen ließen die Möglichkeit für einen Traumstart aus. Rekordtorschützin Ellen White kam am Fünfer zum Kopfball, konnte Merle Frohms aber nicht bezwingen (3.). Die 33-jährige Manchester-City-Akteurin hätte auch mit dem Fuß vorlegen können, ihr Abschluss aus 13 Metern ging knapp über das Gehäuse (38.). Sonst blieben Topchancen aus, beide Teams waren taktisch sehr gut eingestellt und kämpften vehement um jeden Ball. Der Spielfluss litt darunter.
Deutschland kam in den ersten 45 Minuten nur einmal gefährlich vor das Tor, da versuchte Marina Hegering den Ball nach einem Corner aufs Tor zu bringen und die "Lionesses" konnten auch dank etwas Glück und mit vereinten Kräften klären (25.).
Nach Wiederbeginn übten die Deutschen sehr viel Druck aus und dränten auf die Führung. Die eingewechselte Tabea Waßmuth schloss zu schwach ab (48.), zudem fehlte bei einem Magull-Schuss nicht viel (50.). Ausgerechnet in der besten Phase der Truppe von Trainerin Martina Voss-Tecklenburg legten die Gastgeberinnen vor. Das dank einer kurz zuvor erst gekommenen Wechselspielerin. Nach einem Idealzuspiel von Keira Walsh in den Lauf von Toone, überhob diese Frohms sehenswert. Auch Prinz William war da auf der Tribüne das Lächeln ins Gesicht geschrieben.
Joker Kelly mit Entscheidung
Die Deutschen hätten beinahe gleich zurückgeschlagen. Magull hatte bei einem Aluminiumtreffer Pech, der Nachschuss der farblos geblieben Schüller fiel zu schwach aus (66.). Es war auch die letzte Aktion der Partnerin von Österreichs Segel-Ass Lara Vadlau. Die Wechsel verfehlten ihre Wirkung in der Folge nicht, brachten viel Schwung. Den Ausgleich leiteten mit Sydney Lohmann und Waßmuth auch zwei "Joker" ein, Magull verwertete am Fünfer kaltschnäuzig. Der "Lucky Punch" blieb dann aus, damit waren für beide Teams Überstunden angesagt.
Dort deutete lange vieles auf ein Elfmeterschießen hin, ehe England nach einer Standardsituation traf. Nach einem Hemp-Corner brachte Lucy Bronze den Ball aufs Tor, der konnte von Kathrin-Julia Hendrich nicht geklärt werden und Kelly staubte aus kurzer Distanz ab. Damit endete die erste Finalentscheidung in der Verlängerung seit 2001 nicht nach dem Wunsch Deutschlands. Damals hatte der Rekordchampion aufgrund eines Golden Goals in Ulm Schweden besiegt. England überstand auch die 20. Partie in der Ära von Wiegman ungeschlagen.