Sie kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus, die Spieler des FC Liverpool. Offenbar hatten sie vor lauter Schreck auf das Fußballspielen vergessen und sahen für ihre Verhältnisse fast tatenlos zu, wie der Außenseiter ein Match aufzog, das zumindest in diesem Halbfinalduell der Champions League ihnen, also den unwiderstehlichen Reds, vorbehalten war. Da hatte sich Villarreal doch tatsächlich erdreistet, nach dem 0:2 vom Hinspiel nicht nur Widerstand zu leisten, sondern selbst die völlige Kontrolle über das Spiel zu übernehmen. Und es funktionierte, aber nur eine Spielhälfte lang. Nach 45 Minuten lag die Sensation in der Luft, die Mannschaft aus der 50.000-Seelen-Gemeinde an der Mittelmeerküste wähnte sich hoch oben und wurde aber doch wieder aus allen Träumen gerissen. Zur Halbzeit war für die Spanier der Gleichstand erreicht, am Ende hatten die Engländer die Verhältnisse wiederhergestellt.
Unai Emery hatte seine im ersten Duell zu 100 Prozent auf Defensive getrimmte Mannschaft dazu verdonnert, die totale Kontrolle auszuüben. Das Überraschende dabei: Es gelang, denn Liverpool ließ sie gewähren, die Insassen des gelben U-Boots, die sofort das Kommando übernahmen und auch nach dem schnellen ersten Tor nach etwas mehr als drei Minuten nicht daran dachten, das Steuer aus der Hand zu geben. Unermüdlich stürmten sie, Liverpool war zu verblüfft, musste, so schien es, den Rollentausch akzeptieren. Auch ein nicht gegebener, im Grunde klarer Elfmeter nach einem Foul von Torhüter Allisson an Lo Celso brachte Villarreal nicht aus dem Rhythmus, noch vor der Pause gelang den Spaniern durch einen Kopfball von Coquelin das 2:0 und damit auch das 2:2.
Doch in der Pause geschah die Verwandlung, und Liverpool hatte sich auf Anweisung von Jürgen Klopp wieder in die gewohnte, vertraute Montur geworfen. Unverzüglich nahm der Premier-League-Rivale von Manchester City Fahrt auf und entwickelte gewaltigen Druck. Villarreal war einerseits nicht in der Lage, diesem standzuhalten und sah sich auch außerstande, selbst wiederum initiativ zu werden. Ein Wechsel – Luis Diaz kam für Diogo Jota – hatte entscheidenden Anteil an der Wende. Beim 1:2 hatte Liverpool allerdings auch etwas Glück, dass Torhüter Geronimo Rulli den Ball zwischen seine Beine hindurch ließ. Diaz sorgte per Kopf für den Ausgleich, wieder glitt der Ball durch Rullis Beine, aber die Distanz war zu kurz, um dem Torhüter eine Schuld zu geben. Beim 3:2 war der Villarreal-Torhüter weit aus dem Gehäuse gekommen, Sadio Mane hatte keine Mühe. Liverpool steht verdient im Finale.