Es war angerichtet für die große Show von Gianni Infantino, die letztlich darin gipfelte, dass der Schweizer ankündigte, 2023 ein weiteres Mal für das Amt des FIFA-Präsidenten zu kandidieren. Davor aber bewies er einmal mehr, dass es eine Sache nicht geben kann in den großen Sportverbänden dieser Welt, die sich doch zu Geldmaschinen entwickelt haben: Kritik. Und diese kam davor vor allem von einer: Die Norwegerin Lise Klaveness, erste Frau an der Spitze des norwegischen Fußballverbandes, lieferte nämlich in Doha eine beeindruckende, fünfminütige Rede ab. Wohl kaum zur Freude des Präsidenten, auch die Kataris waren da "not amused".
"Die FIFA muss als Vorbild agieren", forderte die Norwegerin, einst selbst Fußballerin, später Anwältin und Richterin. Und sie meinte damit: "Unser Spiel kann Träume inspirieren und Grenzen niederreißen. Aber wir als Anführer müssen das richtig und nur nach den höchsten Standards machen. Wir können den Ruf nach Veränderung nicht ignorieren."
Die 40-Jährige sprach die Missstände in Katar in Menschenrechtsfragen klar an, solche Meinungsäußerungen sind sehr selten in der großen FIFA-Welt, die Infantino gerne als "Familie" bezeichnet. Die WM 2022, deren Gruppen an diesem Freitag ausgelost werden, sei im Jahr 2010 unter "inakzeptablen Umständen und mit inakzeptablen Konsequenzen" vergeben worden, sagte Klaveness und stellt damit durchaus infrage, ob der Weltverband aktuell überhaupt als Vorbild agiere.
"Es gibt keinen Platz für Arbeitgeber, die sich nicht um soziale Standards und die Sicherheit der Arbeiter scheren. Es gibt keinen Platz für Regierungen, die Frauen-Fußball nicht zur Austragung kommen lassen. Keinen Platz für Gastgeber, die die Sicherheit und den nötigen Respekt für die LGBTQ+-Community nicht garantieren können, wenn sie auch dieses Theater der Träume betreten wollen", sagte Klaveness. Und sie endete mit einer Antwort auf die oft an sie gerichtete Frage, wie sie es sei, als Frau "in einer Männerwelt" zu arbeiten: "Ich sage immer: Ich arbeite nicht in einer Männerwelt. Fußball gehört allen Mädchen und Buben der ganzen Welt. Ich teile den Glauben, dass wir die Begeisterung für ein weltumspannendes Spiel teilen."
Die bemerkenswerte Rede im Video:
HIER geht es zur Rede im Wortlaut auf der Seite des norwegischen Fußballverbandes
Die Antwort war – was kaum anders zu erwarten war – wenig begeistert. Infantino verwies wie auch Organisationschef Hassan Al-Thawadi auf die großen Fortschritte in Katar, das von Menschenrechtsorganisationen erst in dieser Woche wieder scharf kritisiert worden war. "Frau Präsidentin kommt in unser Land und hat nicht versucht, uns zu kontaktieren und hat nicht versucht, einen Dialog zu starten", sagte Al-Thawadi mit scharfem Ton und forderte sie auf, "sich selbst zu bilden". Infantino hatte zur Eröffnung des Kongresses Regierungsvertreter des Emirats mehrfach mit dem Wort "Bruder" angesprochen, sieht die Kataris als "Familie", der FIFA-Präsident hat inzwischen einen Wohnsitz in Katar.
Die in nicht einmal acht Monaten beginnende WM werde "die beste Weltmeisterschaft der Geschichte, die größte Show der Welt", sagte Infantino. Geschenke gab es auch: Der FIFA-Präsident übergab ein blaues Trikot mit der Nummer 22 an Katars Premierminister Scheich Khalid bin Khalifa bin Abdulaziz Al Thani. "Diese Weltmeisterschaft wird etwas ganz Besonderes, etwas Unvergleichliches", sagte dieser. "Wir vertreten nicht nur unser Land, sondern die gesamte arabische Welt."
Russland kam kaum zur Sprache
Die Weltlage sprach Infantino während seiner zweiten Rede an. Die Corona-Pandemie sei fast überwunden. "Was passiert jetzt? Krieg", sagte Infantino. "Krieg mit der Angst vor einem globalen Konflikt – mit diesen schrecklichen Ereignissen in der Ukraine. Aber es gibt schreckliche Kriege und Konflikte auch in anderen Teilen der Welt, das dürfen wir nicht vergessen. Orte, wo hilflose Menschen leiden und sterben."
Im Saal saßen zwar Vertreter des russischen Verbands, die sich nicht äußerten, aber niemand aus der Ukraine. Das eingespielte Video mit dem ukrainischen Verbandspräsidenten Andrij Pawelko auf einem Platz, auf dem Helfer gerade ein Denkmal mit Sandsäcken schützen, wurde von den Delegierten ohne große Regung zur Kenntnis genommen. Pawelko sprach in Schutzweste vom "Horror des Kriegs". Russland wurde aber als Verband nicht ausgeschlossen, diese Möglichkeit wurde auch nicht diskutiert.