Unter dem Eindruck der dramatischen Bilder aus der Ukraine wird Russland auch im Weltsport zunehmend isoliert. Die großen Fußball-Verbände FIFA und UEFA ringen trotz lautstarker Boykottdrohungen dennoch mit den für sie einschneidendsten Konsequenzen. Andere Sportverbände haben bereits Maßnahmen ergriffen, so suspendierte der Judo-Weltverband den russischen Präsidenten Wladimir Putin als Ehrenpräsidenten und Botschafter der Sportart.
Der Weltverband FIFA und die Europäische Fußball-Union UEFA, die jahrelang die Nähe zu Putin pflegten, verurteilten zwar die Invasion Russlands in die Ukraine, verbannten bisher aber weder russische Mannschaften noch russisches Geld aus ihren Wettbewerben. Mit Weltfußballer Robert Lewandowski als eindringlichem Mahner kündigten der polnische sowie später auch der schwedische und der tschechische Fußball-Verband an, nicht zu den WM-Play-offs Ende März in Russland anzutreten.
"Ich kann mir nicht vorstellen, in einem Monat auf den Platz zu gehen und zu vergessen, was passiert", sagte Bayern-Stürmer Lewandowski, der am Samstag in der deutschen Fußball-Bundesliga aus Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung mit einer blau-gelben Kapitänsbinde spielte. "Wir wissen, was da passiert und dass die gesamte Welt das nicht akzeptiert. Wir müssen die Ukraine unterstützen."
Die FIFA muss handeln
Die FIFA hatte sich am Donnerstag zunächst in eine Beobachterrolle zurückgezogen und äußerte sich am Wochenende nicht – muss jetzt aber handeln. Russland hat in den bisher noch angesetzten Ausscheidungsspielen auf dem Weg zur umstrittenen Katar-WM keine Gegner mehr. Der französische Verbandschef Noël Le Graët brachte am Sonntag aber als erster ranghoher Funktionär auch den Ausschluss Russlands aus dem Wettbewerb ins Gespräch. "Das ist mein erster Impuls", sagte der 80-Jährige, der im FIFA-Council sitzt, der Zeitung "Le Parisien".
Die Europäische Fußball-Union, die St. Petersburg bereits das Endspiel der Champions League entzogen hatte, kündigte am Wochenende weitere Notfallsitzungen ihres Exekutivkomitees an. Wichtigster und wohl auch einflussreichster Geldgeber ist weiterhin der in Europa höchst umstrittene russische Energieriese Gazprom. "Das ist jetzt schmutziges Geld. Da muss man ganz klar sagen, in jeder Richtung, das darf es nicht mehr geben, das dürfen wir nicht mehr annehmen", sagte DFB-Interimspräsident Hans-Joachim Watzke im ZDF-"Sportstudio".
In England sorgte am Samstagabend die Mitteilung des FC Chelsea für Aufsehen, dass der russische Eigentümer Roman Abramowitsch die Verwaltung an die Treuhänder der wohltätigen Stiftung abgibt. Ein Schachzug angesichts drohender Sanktionen?
Kleinere Verbände reagierten mit Maßnahmen
Kleinere Sportverbände reagierten bereits mit Maßnahmen. Der Judo-Weltverband suspendierte Putin als Ehrenpräsidenten und Botschafter der Sportart. Putin ist selbst Träger des Schwarzen Gürtels. Der Biathlon-Weltverband IBU beschloss, dass Biathletinnen und Biathleten aus Russland und Weißrussland bei den verbleibenden Weltcups in diesem Winter unter neutraler Flagge antreten müssen. Die russische Hymne wird nicht mehr gespielt. Der russische Biathlon-Verband RBU reagierte erwartbar verärgert und kündigte an, in diesem Winter nicht mehr anzutreten.
Im Skispringen und Turnen gelten ähnliche Regeln. Der Volleyball-Weltverband FIVB stellt Russland als Ausrichter der WM im August und September auf den Prüfstand. Der Vereinigung Athleten Deutschland geht das nicht weit genug. "Der internationale und nationale Sport muss jetzt alle Möglichkeiten ausschöpfen und geschlossen Sanktionen mit voller Härte aussprechen, um seinen Werten treu und glaubwürdig zu bleiben", hieß es in einer am Samstagabend veröffentlichten Mitteilung.
Die Interessensvertretung deutscher Spitzensportler will etwa, dass Verbände aus Russland und Weißrussland komplett aus dem Sportverbandssystem ausgeschlossen, alle Beziehungen zu russischen Geldgebern abgebrochen, Funktionäre aus beiden Ländern ausgeschlossen werden und Sportlerinnen und Sportler aus Russland und Weißrussland während des Krieges nicht mehr an internationalen Wettbewerben teilnehmen dürfen. Ähnliche Forderungen stellte auch der norwegische Sportverband. "Russlands Angriffe auf das ukrainische Volk und Verstöße gegen das Völkerrecht erfordern internationale Verurteilung und Sanktionen", hieß es vom Nationalen Olympischen Komitee Norwegens in einer Stellungnahme.