Er wirkt ruhig und spricht völlig unaufgeregt. Von einem Dampfplauderer ist Ercan Kara weit entfernt. Der Stürmer, der bei seinem Startelf-Debüt im Nationalteam gegen Färöer durchwegs die besten Zensuren erhielt, artikuliert sich vorzugsweise durch Leistung. Und so ist der 25-Jährige zwar praktisch fast aus dem Nichts gekommen, aber nicht, um zu erklären, die österreichische Offensive aufmischen und neu ordnen zu wollen. „Es ist alles ziemlich neu für mich, aber ich probiere einfach umzusetzen, was ich kann“, sagt er im Tonfall der Bescheidenheit.
Der Rapidler scheint trotzdem geeignet zu sein, der Stürmermisere in der Nationalmannschaft zumindest den Kampf anzusagen. Sein Auftritt in Torshavn war jedenfalls vielversprechend, er war, um im tagespolitisch aktuellen Jargon zu bleiben, ein untadeliger Stürmer. Am Dienstag im weitaus schwierigeren Spiel gegen Dänemark wird Kara wohl seine nächste Chance erhalten.
Franco Foda hatte am Samstag auf den Bundesliga-Stürmer gesetzt und sollte diesmal den richtigen Riecher haben, auch wenn dem Straßenfußballer ein Torerfolg versagt blieb. Gleichzeitig ist der Einsatz Karas ein Beleg für die Problemzone im Nationalteam, die sich Angriff nennt. Michael Gregoritsch wird zwar regelmäßig in den Kader berufen, das Vertrauen in den Augsburger ist aber offenbar zu gering, um ihn auch bei zahlreichen Ausfällen von Beginn an auf den Platz zu bringen. Karim Onisiwo konnte das gegen Färöer in ihn gesetzte Vertrauen einmal mehr nicht rechtfertigen.
Schwierige Suche nach Alternativen
Österreich ist angewiesen auf die wenigen Offensiv-Kapazunder wie Marko Arnautovic, Sasa Kalajdzic oder Christoph Baumgartner. Fallen die Genannten aus, offenbart sich die extrem dünne Personalreserve, speziell in diesem Bereich. Die Suche nach Alternativen ist ein schwieriges Unterfangen, also herrscht bange Hoffnung, wann möglicherweise ein neuer Mann gefunden ist. Bei Kara war dies eher Zufall, jedenfalls verlief die Karriere nicht durchstrukturiert, er war befreit von jeglichen fußballakademischen Ehren.
Und dennoch ist alles sehr schnell gegangen. Vor zwei Jahren spielte der Wiener noch in der Regionalliga Ost bei Mauerwerk und kam über Horn in der zweiten Liga zu Rapid. Dort machte er zuletzt nach längerer Durststrecke mit drei Toren gegen Tirol auf sich aufmerksam. Als Naturfußballer hatte er es jedenfalls nicht leicht, wie er erklärt. „Man muss um alles kämpfen, man kriegt im Leben nichts geschenkt.“ Daher hat er keine Scheu vor dem Kontakt mit dem Gegner. „Es macht mir nichts aus, wenn ich einmal eines auf die Fresse kriege.“ Es gab Menschen, die ihn bei seinem Werdegang unterstützten. Diesen „danke ich“. Andere wiederum hätten nicht an ihn geglaubt. Denen zeigt er es nun. Ein Vorbild hat er auch, ein echtes. Es handelt sich um Afrikas großen Vorzeigefußballer Didier Drogba.
Österreich muss weiter suchen. Mit dem Kara-Klubkollegen Marco Grüll und Salzburgs U21-Teamspieler Junior Adamu gibt es Anwärter. Wie es geht, zeigt Dänemark, das am Dienstag in Kopenhagen auf das ÖFB-Team wartet und die WM-Qualifikation fixieren kann, vor. Die Skandinavier haben es auf bereits 26 Tore gebracht. Die Österreicher mussten sich mit elf Treffern begnügen. Kara, der beim 0:4 im Hinspiel sein Debüt gab, sieht dies nicht als Handicap. „Es war nicht schön, aber trotzdem ein besonderer Moment. Jetzt können wir das wieder gutmachen.“