Fußball-Bundesligist Sturm Graz steht vor einem Balanceakt. Die Steirer versuchen in der neuen Saison auf europäischem Parkett Erfolg zu haben, ohne auf dem nationalen abzurutschen. "Wir wollen nicht als Touristen durch Europa fahren. Wir wollen eine gute Rolle spielen", sagte Kapitän Stefan Hierländer gegenüber der APA, während Trainer Christian Ilzer auch betonte: "Unser tägliches Brot ist die Liga."
Hierländer war bei den letzten schwarz-weißen Kurztrips durch Europa dabei. Auf Städtereisen, etwa nach Haugesund (Norwegen), Amsterdam oder Larnaka (Zypern), bekam man einzig Niederlagen zu sehen. Nach zehn Jahren erlebt das Grazer Publikum nun fix wieder eine europäische Gruppenphase. Scheitern die "Blackies" in der letzten Quali-Runde vor der Europa League im Play-off (ab 19. August), steigen sie in die neu geschaffene Conference League um.
"Wir haben zwar eine Gruppenphase fix, aber wir wollen das Play-off gewinnen. Ich will unbedingt in die Europa League", bekannte Hierländer. "Es gilt auch für die österreichische Liga endlich Punkte zu sammeln. Das sollten wir schon im Hinterkopf haben." Tatsächlich ist der Koeffizient der Grazer, der sich wesentlich aus dem Verbandsbeitrag zusammensetzt, mit 7,165 ziemlich ausbaufähig. Salzburg (59), LASK (21), Rapid (17), WAC (11) und die Austria (10) sammelten im Fünfjahresvergleich jeweils mehr Punkte als die Steirer (4,5).
Dass Sturm gleich die erste Saison unter Ilzer knapp hinter Rapid als Tabellendritter abschloss und neben defensiver Kompaktheit auch spielerisch überzeugte, hinterließ Eindruck. Die Konkurrenz hat die Truppe um Jon Gorenc Stankovic, Kelvin Yeboah und Jakob Jantscher weiter dick auf dem Zettel, wie aus einer von der APA unter den zwölf Trainer durchgeführten Umfrage hervorgeht. Im Cup schoss sich Sturm mit einem 9:0 gegen Regionalligist Stadl-Paura für die am Freitag mit dem Heim-Schlager gegen Salzburg beginnende Liga warm.
In Graz wagt man sich vorerst nicht aus der Deckung. "Wir wollen einmal in erster Linie in die Meistergruppe kommen, dann werden weitere Ziele definiert", erklärte Ilzer. "Wir haben eine richtig gute Saison hinter uns, die müssen wir bestätigen. Wir haben eine junge Mannschaft, bekommen den Europacup dazu - das wird nicht so einfach", sagte Ilzer.
Er widmete sich in der vierwöchigen Vorbereitung alten und neuen Inhalten. "Es war sicher ein Thema, unsere Grundprinzipien in diesen vier Wochen der Vorbereitung aufzufrischen und zu festigen. Und dann natürlich auch Dinge flexibler zu machen und uns in ein paar Varianten ein wenig schwerer ausrechenbar zu machen."
Neben Variantenreichtum wird Sturm auch Frische brauchen. Eine höhere Belastung mit Begleitumständen wie Reisestrapazen, Müdigkeit, fehlender Detail-Vorbereitung auf den nächsten Gegner und weniger zielgerichtetem Training als üblich wartet. Intensive Monate, in denen Sturm weiter den von Ilzer ausgegebenen "Vollgas-Fußball" praktizieren soll.
Ein Spagat also, den Marco Angeler federführend begleitet. Sturms Athletiktrainer weiß: "Das Schlüsselwort" im System Ilzer heißt "Intensität". "Intensität bedeutet bei uns Tempo. Wir wollen mit und gegen den Ball mit hohem Tempo spielen", sagte Angeler zuletzt gegenüber dem Fan-Podcast "Blackfm.at". Auch während intensiven Herbstwochen soll unverändert intensiv trainiert, jedoch der Umfang der Einheiten reduziert werden, erklärte der Sportwissenschafter. "Die Stellschraube ist die Trainingsdauer."
Das Kadergerüst steht. Mit Innenverteidiger David Nemeth verließ nur ein Schlüsselspieler den Verein. Ein Stürmer und Innenverteidiger könnten indes noch in Graz aufschlagen. Dass das Gros der Spieler die gefragten Prinzipien intus hat, erleichtere den Spagat. Hierländer: "Wir arbeiten viel daran, zu marschieren. Viele Spieler sind da, die diese Philosophie kennen. So gesehen fällt ein Schritt weg, den wir letztes Jahr gehen mussten."
Den externen Neuzugängen Manprit Sarkaria, Alexander Prass und David Affengruber traut man in Graz eine schnelle Integration zu. "Das Positive ist, dass wir eine sehr homogene Mannschaft sind, da ist es auch leichter, sich als neuer Spieler zu integrieren", meinte Hierländer. Die Neuen sowie bisher recht wenig spielende Akteure aus der eigenen Akademie werden gebraucht werden. "Ich bin kein Fan von Rotation. Ich will die, die spielen, auf Zug halten", sagte Ilzer. "Aber zu rotieren wird heuer nötig sein, das ist klar."