Wer will denn schon ein Elferschießen? Und noch dazu in einem Finale! Es ist aber passiert. Und für England gab es das nächste Trauma, in Wembley. Italien gewann die Entscheidung vom Punkt, nachdem drei Engländer, zwei – Marcus Rashford, Jadon Sancho – extra dafür eingewechselt, vergeben hatten, und ist zum zweiten Mal Europameister, Gianluigi Donnarumma war der Held.
Vor bald sechs Jahren erlitt die Karriere des Frühstarters Luke Shaw mehr als nur einen Knick. Nach einem durch eine brutale Attacke erlittenen doppelten Scheinbeinbruch fürchtete der damals 20-Jährige sogar um sein rechtes Bein. Im Finale gegen Italien schoss der bei dieser EM mit u. a. drei Torvorlagen zu den besten Spielern zählende Verteidiger von Manchester United England mit dem linken Fuß zur Führung, aber nicht ins Euro-Glück, wonach es lange aussah. Nach 117 Sekunden leitete Shaw im Anschluss an einen Eckball für Italien einen perfekt vorgetragenen Konter ein, Harry Kane passte auf Kieran Trippier, dessen Flanke der von der italienischen Abwehr übersehene Shaw, der am Montag 26 wird, direkt übernahm.
Das frühe Tor traf die Italiener ins Herz und warf das Konzept von Roberto Mancini über den Haufen. Der bisher so zuverlässige Elan verpuffte zwischen eigenen Unklarheiten beim Spielaufbau und der lange souverän agierenden englischen Abwehr. Die von ihren Fans im tosenden Wembley-Stadion bei Laune gehaltenen Engländer gestalteten ihre Angriffe mit ruhiger Aufbauarbeit und wirkten mit ihren Querpässen Richtung Strafraum stets zielstrebiger als der Gegner. Den Azzurri war bewusst, dass sie Kane und Raheem Sterling nicht aus den Augen verlieren dürfen. Es dauerte lange, ehe Italien selbst Gefahr ausstrahlte. Ein Schuss von Federica Chiesa war vor der Pause die einzige Ausbeute.
Der knappe Vorsprung schien England zu reichen. Die Spieler waren überzeugt davon, dass sich die schon mit Hunderten Kilometern vollbepackten Italiener müde laufen würden. Die Engländer spielten nach einem elferverdächtigen Foul an Raheem Sterling dann zu intensiv mit dem Feuer und übertrieben es mit der Rückzugsvariante. Auch einen von Jordan Pickford gehaltenen Warnschuss von Chiesa nahmen sie nicht ernst genug. Die Italiener dachten sich, dass ein solch destruktives Spiel bestraft gehörte, und ließen sich nicht länger foppen. Pickford glänzte zwar nach einem Eckball noch mit einer tollen Reaktion, aber Leonardo Bonucci staubte zum Ausgleich ab. Wembley hielt den Atem an.
Die Engländer hatten es verabsäumt, nachzulegen und die Kontrolle über das Geschehen aus der Hand gegeben. Italien versuchte, nachzulegen, verlor aber mit Chiesa ihren gefährlichsten Offensivmann durch Verletzung. Das störte den Angriffsgeist der in Schwung gekommenen Squadra.
In der Verlängerung versuchten zunächst beide Mannschaften unter Einhaltung der nötigen Vorsichtsmaßnahmen, die Entscheidung herbeizuführen. Englands Wille war nun wieder stärker zu spüren, bei den Italienern schienen die Kräfte zu erlahmen, aber letztlich entschied das Elferschießen.