Das bevorstehende Schlussszenario bei der Fußball-EM löst Unbehagen und Kritik aus. Und auch die Befürchtung, dass das paneuropäische Turnier zum "Superspreader" gerät, wächst weiter.
Die viel gescholtene Europäische Fußball-Union hat für die Partien Italien gegen Spanien am Dienstag und England gegen Dänemark am Mittwoch und für das Finale 75 Prozent der Zuschauerkapazitäten freigegeben. Das England-Spiel ist natürlich ausverkauft.
Die restriktiven internationalen Reiseregelungen, nach denen fast alle europäischen Länder britische Staatsbürger bei der Einreise in eine längere Quarantäne schicken und dies in Großbritannien mit Einreisenden ebenso gehandhabt wird, reduziert lediglich die Fans aus dem Ausland.
Vielen Dänen passt so eine Regelung gar nicht. Nach derzeitigem Stand können nur im Vereinigten Königreich lebende Dänen Karten erwerben - nämlich etwa 6.000. Im Land des Halbfinalisten und Überraschungsteams wächst der Druck auf die Regierung, damit mehr dabei sein können. Mehrere Parteien forderten Ministerpräsidentin Mette Frederiksen auf, sich auf die Seite der dänischen Anhänger zu schlagen.
Die Boulevardzeitung "Ekstra Bladet" kritisierte, dass sich Frederiksen und Außenminister Jeppe Kofod nicht zu der Situation zu Wort meldeten. "Die Leute hier sind geimpft, getestet und bereit, da hinüber zu schwimmen", schrieb die Zeitung am Montag.
In Großbritannien steigen die Infektionszahlen seit Wochen wieder stark an. Die Sieben-Tage-Inzidenz wurde zuletzt mit 214 angegeben (Stand: 29. Juni). Allein am Sonntag waren mehr als 24.000 Neuinfektionen registriert worden. Zurückgeführt wird das auf die Delta-Variante, die mehr als 90 Prozent der Fälle ausmacht.
Corona-Maßnahmen werden ab 19. Juli weitgehend aufgehoben
Der britische Premierminister Boris Johnson will trotzdem die verbliebenen Corona-Maßnahmen wie Abstandsregeln, Maskenpflicht und Home Office bis zum 19. Juli weitgehend aufheben. Das geht aus einer Pressemitteilung der Regierung am Montag hervor. Dann können die Engländer wieder im voll besetzten Theater sitzen, Feste feiern und sogar die Nacht im vollen Club durchtanzen.
"Das ist ein furchtbarer Plan", twitterte dazu Christina Pagel vom University College London, die auch in einem Beratungsgremium der Regierung sitzt. "Es sieht so aus, als würden wir das einzige Land, das alles gegen die Wand der Impfstoffe wirft und hofft, dass diese standhält." Inzwischen sind 86 Prozent der Erwachsenen in Großbritannien mindestens einmal geimpft. Knapp 64 Prozent der über 18-Jährigen haben bereits beide Impfungen.
Die UEFA hat sich längst auf die Position zurückgezogen, sie halte sich an die von den Regierungen und Gesundheitsbehörden der jeweiligen Länder erlassenen Bestimmungen im Umgang mit der Pandemie. Was zu teils heftiger Kritik von Gesundheitsexperten und Politikern am Vorgehen Großbritanniens geführt hatte.
Angela Merkel ist sorgenvoll und skeptisch
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel etwa ließ auf ihrer Abschiedstour in England am Freitag keinen Zweifel daran, dass sie ebenfalls kein Fan von Boris Johnsons Spiel mit dem Risiko ist. "Die britische Regierung wird ihre Entscheidungen treffen", sagte sie. "Aber ich bin sorgenvoll und skeptisch, ob das gut ist und nicht ein bisschen viel."
Der Europadirektor der Weltgesundheitsorganisation WHO, Hans Kluge, appellierte in der vergangenen Woche an alle Menschen, die nun Fußballspiele besuchen wollen oder eine Urlaubsreise planen, die Risiken genau abzuwägen und sich zu schützen. "Ja natürlich, wir sind eindeutig besorgt", sagte er mit Blick auf die EM.
Ebenso wie die EM gehört das Tennisturnier in Wimbledon zu mehreren Großveranstaltungen, bei denen in Großbritannien die Wiederzulassung von Zuschauern getestet wird. Ab dem Viertelfinale am Dienstag dürfen beim Tennis-Turnier in Wimbledon wieder alle Zuschauerkapazitäten auf dem Centre Court und dem Platz Nummer eins mit 14.979 beziehungsweise 12.345 Plätzen genutzt werden. Zum Formel-1-Rennen in Silverstone am 18. Juli sollen gar 140.000 Zuschauer zugelassen werden.