Nach dem Überraschungscoup gegen Schweden ist Außenseiter Ukraine in Partylaune und bittet nun Deutschland-Bezwinger England zum Tanz. "Wir fordern morgen arbeitsfrei für das ganze Land!", verkündete die Boulevardzeitung "KP" nach dem 2:1 nach Verlängerung gegen Schweden in Glasgow. "Es ist bereits nach Mitternacht und wir, alle 40 Millionen, sind immer noch auf dem Spielfeld."
Der erste Viertelfinaleinzug bei einem großen Fußballturnier seit der Weltmeisterschaft 2006 lädt das Land zum Träumen ein. Nun will das Team von Andrij Schewtschenko mehr. "Mit dieser Leistung, diesem Engagement und heroischen Kampf hat sich unsere Mannschaft die Liebe einer ganzen Nation verdient", sagte der ehemalige Stürmerstar.
Jede Menge Höhepunkte
Es war tatsächlich ein harter Kampf, den sich die beiden blau-gelben Mannschaften vor 9.221 Zuschauern in der schottischen Metropole lieferten. Fußballerisch zwar nicht immer glanzvoll, aber doch voller Höhepunkte entwickelte sich eine kurzweilige Partie. Schwedens Mittelfeldstar Emil Forsberg traf aus der Distanz zum zwischenzeitlichen Ausgleich ins Netz (43.), aber auch jeweils Stange und Latte. Auch die Ukraine hatte ihre Chancen.
Dann wurde es wild. Viele Verletzungsunterbrechungen störten den Spielfluss, Spieler beider Teams schleppten sich mehr über den Platz als sie liefen, fast im Minutentakt kamen die medizinischen Betreuer aufs Spielfeld. "In der Nachspielzeit verwandelte sich das Spiel in ein richtiges Gemetzel mit Verletzungen und Platzverweis", urteilte das Webportal "Segodnja" - mit dem glücklicheren Ende für die Ukraine. Denn in der Nachspielzeit der Verlängerung traf Joker Artjom Dowbik (121.) mit seinem ersten Länderspieltor tatsächlich zum Sieg, der in der Heimat frenetisch gefeiert wurde.
Rote Karte entscheidend
"Die Rote Karte hat das Spiel entschieden, wir mussten hart kämpfen", resümierte Schweden-Coach Janne Andersson. Marcus Danielson wurde wegen groben Foulspiels vom Platz geschickt (98.), nachdem er Artjom Bessedin am Knie getroffen hatte, der erst wenige Minuten zuvor eingewechselte Stürmer musste verletzt von Platz. Die Entscheidung erhitzte die Gemüter. "Lächerlich", schimpfte Englands Fußballlegende Gary Lineker bei Twitter. Der Platzverweis war aber durchaus gerechtfertigt - eine Position, die letztlich sogar Andersson unterstützte. Für Schweden, bisher deutlich überlegen, änderte sich durch den Platzverweis das Spiel abrupt - und am Ende schlug Dowbik noch zu.
"So sollte es nicht enden", zeigte sich Schwedens Jungstar Dejan Kulusevski enttäuscht. Der 21-Jährige von Juventus Turin betonte: "Der Fußball gibt viel, aber er nimmt noch mehr." Auch Forsberg wirkte angeschlagen. "Mit der letzten Aktion, eine Flanke und ein Kopfball, haben sie getroffen, das ist unglaublich schwer zu verkraften", meinte der Leipzig-Legionär. "Ich bin so traurig, wir hatten höhere Ziele als das Achtelfinale."
"Eine historische Leistung"
Ganz anders sah es natürlich auf der anderen Seite aus. "Es ist eine historische Leistung", jubelte der ukrainische Linksverteidiger Alexander Sintschenko, der sein Land mit einem fulminanten Schuss in Führung gebracht hatte (27.). Dann gab er die Parole aus: "Mein Rat an alle: Lasst uns feiern, wir leben nur einmal, und wir werden diese Momente vielleicht nie wiederholen." Am Samstag (21.00 Uhr) wartet England in Rom zum Viertelfinale.