Es war ein heroischer Auftritt, gekennzeichnet von einer grandiosen Leistung und einem Spiel, das Österreich alle Ehre machte. Die Nationalmannschaft forderte im Achtelfinale der Europameisterschaft das wiedererstarke Italien bis an seine Leistungsgrenze, verpasste aber um einen Hauch die Topsensation. Das ÖFB-Team zwang den großen Gegner in die Verlängerung, die letztlich die Entscheidung brachte. Italien gewann 2:1 und steht damit im Viertelfinale.
„Das in Worte zu fassen, ist im Moment nicht einfach. Das einzige, was ich sagen kann: Wir können unglaublich stolz auf uns sein, auch Österreich kann stolz für uns sein. Wir haben alles versucht“, meinte Kapitän David Alaba nach dem Spiel.
Die Italiener galten als unbezwingbar, die Rollenverteilung vor diesem Match war kein großes Thema. Beim Erklingen der italienischen Hymne begann Wembley erstmals zu bersten. Dann sah Marko Arnautovic nach 58 Sekunden Gelb – ein idealer Start sieht anders aus. Aber die Österreicher brachten mit ihrer offensiven Grundausrichtung den Lärmpegel der italienischen Fans vorerst zum Abflachen. Sie hielten die Azzurri in der Anfangsphase von der Gefahrenzone fern und setzten Nadelstiche. Die schmerzten die Italiener allerdings nicht besonders, und es war Barella, der Bachmann in eine Glanzabwehr nötigte (17.).
Italien erhöhte den Druck, presste früh und brachte die Österreicher in Bedrängnis. Entlastung passierte da eher selten, eine aussichtsreiche scheiterte an einem zu ungenauen Pass von Laimer auf Arnautovic. Durch die Intensität und das enorme Tempo der Partie verging auch die Zeit wie im Flug, das spielte den Österreichern in die Hände, diese hatten aber bei einem Lattenkreuztreffer von Immobile auch Glück. Etwas später bekam Arnautovic für eine starke Szene Applaus, den Ball erwischte Torhüter Donnarumma. Für den Rest der ersten Hälfte kehrte Ruhe ein, die Italiener bestachen durch Ballsicherheit, spielerische Leichtigkeit und unglaubliche Passgeschwindigkeit. Die erste Hälfte war überstanden, das konnte sich schon sehen lassen.
Kurz nach der Pause erhielt Alaba mit einem Freistoß von der Strafraumgrenze die große Chance auf die österreichische Führung, der Ball strich jedoch knapp über das Tor. Österreich bekam Oberwasser und im Stadion war zu spüren, dass der Außenseiter Austria keine Lust hatte, den verlorenen Posten einzunehmen. Sie begannen, die Sensation anzudenken und erspielten sich Chancen. Dann brach Dramatik aus, als Österreich nach einem Arnautovic-Kopfball 1:0 zu führen schien, der VAR aber die Entscheidung wegen Abseits korrigierte. Österreich agierte auf Augenhöhe, und die Partie war an einem Punkt mit offenem Ende angelangt. Österreich ging in die erste Verlängerung seit 1934.
In der Draufgabe passierte es. Die Abwehr übersah Chiesa, der nach Idealpass von Insigne Laimer ins Leere laufen ließ und unhaltbar einschoss. Die Österreicher warfen alles nach vor, aber dann spielten die Italiener ihre Klasse aus und Pessina stellte in der 105. Minute auf 2:0. Das ÖFB-Team gab sich nicht geschlagen, nach einem Corner bescherte Kalajdzic per Kopf Italien das erste Gegentor nach 1169 Minuten. Sie wollten ins Elferschießen, es gelang nicht mehr.
Hubert Gigler aus London