Wir haben am Montag nach dem 1:0-Sieg über die Ukraine einen Franco Foda gesehen, der voller Freude in die Fernsehkamera geschrien hat und vor den Fans mit der Mannschaft getanzt hat. Was ist in diesen Momenten in Ihnen vorgegangen?
FRANCO FODA: Es war sehr emotional, weil wir etwas Außergewöhnliches erreicht und Geschichte geschrieben haben. Die fantastischen Fans im Stadion haben meinen Namen gerufen und ich habe mit der Mannschaft die Welle gemacht. Diese Momente muss man genießen.
Wie ist es weitergegangen?
Die Stimmung war schon im Flugzeug von Bukarest nach Innsbruck sehr gut – vollkommen berechtigt. Wir hatten alle viel Spaß, auch bei der Busfahrt ins Hotel. Dort hat unser Koch Fritz Grampelhuber schon das Abendessen vorbereitet. Im Trainerteam sind wir noch mit einem Glas Rotwein zusammengesessen. Die Spieler haben auch etwas gefeiert. Das war der ideale Anlass dafür.
Wie viele Glückwünsche haben Sie erreicht?
Es waren mehr als 250 Nachrichten per WhatsApp. Viele Ex-Spieler waren dabei, sogar Reiner Calmund. Das hat mich sehr berührt. Ich habe auch jede einzelne beantwortet. Das hat schon etwas gedauert. (lacht)
Mit sechs Punkten in der Gruppenphase und dem Einzug in das Achtelfinale ist Historisches gelungen. Wie ordnen Sie das ein?
Wir wollten besser abschneiden als 2016. Die Gruppe war schwierig. Dass es gegen die Ukraine ein Entscheidungsspiel geben könnte, war uns schon vorher bewusst. Wir haben verdient gewonnen. Wieder einmal waren wir in einem wichtigen Spiel da. Das hat uns auch schon in der EM-Qualifikation ausgezeichnet, als wir nach zwei Niederlagen mit dem Rücken zur Wand gestanden sind und im Anschluss 19 Punkte aus sieben Spielen geholt haben.
Bis auf einen Tag Pause ist das ÖFB-Team jetzt fast schon vier Wochen zusammen. Wie verhindert man den Lagerkoller?
Wichtig war in diesem Zusammenhang, dass wir nie zu lange an einem Ort waren, sondern dass wir Camps an unterschiedlichen Orten hatten. Ein ganz entscheidender Punkt war auch der freie Tag bei den Familien nach dem Slowakei-Testspiel. Wenn du Erfolg haben willst, brauchst du Energie. Und die Familie gibt unglaublich viel Kraft. Dank Grillabenden und Teambuildingmaßnahmen ist es auch nie langweilig geworden. Mir macht es immer mehr Spaß. Es ist so kurzweilig. Und noch etwas ist entscheidend.
Was genau?
Klar sind unsere Spieler die Protagonisten, die die Entscheidungen auf dem Platz treffen. Aber was da im Hintergrund im Betreuerteam geleistet wird, ist sensationell. Wir haben fast keine Verletzungen, weil die medizinische Abteilung top ist. Auch jeder einzelne – vom Koch bis zum Security-Mitarbeiter – trägt seinen Teil zur positiven Stimmung bei. Auch die Abläufe bei den Reisen oder im Base Camp in Seefeld sind spitze. Wir fühlen uns total wohl. Da ist alles bestens geplant.
Zuletzt wurde oft der Terminus „für Österreich“ verwendet. Inwiefern ist das das neue Motto?
Es war schon immer so, dass wir die Menschen mitnehmen wollten. Wir wollen für das Land immer das Beste geben. Dieser Achtelfinaleinzug und die Art und Weise, wie wir uns präsentiert haben, macht uns extrem stolz. Man sieht bei der EM eindrucksvoll, wie viele Favoriten sich schwer tun, Siege einzufahren, weil alles sehr ausgeglichen ist. Wenige Mannschaften praktizieren ein hohes Pressing. Viele warten auf Fehler des Gegners und Kontersituationen. Vielleicht hat es damit zu tun, dass vielen Spielern nach der intensiven Saison die Substanz fehlt.
Wo nehmen Ihre Spieler die Kraft her?
Ich habe den Jungs gegen die Ukraine in der Halbzeit gesagt, dass jene Mannschaft gewinnen wird, die es eher schafft, den inneren Schweinehund zu besiegen. Wir haben Spieler wie Konrad Laimer, Christoph Baumgartner oder Marko Arnautovic, die vor der EM länger verletzt waren. Wie die ganze Mannschaft haben sie aber Enormes geleistet und sind am Zahnfleisch gegangen – nur um diesen Erfolg möglich zu machen. Das ist beeindruckend.
Und am Samstag wartet als Belohnung Italien im Achtelfinale im Londoner Wembley-Stadion. Das wird auch für Sie eine Premiere sein. Inwieweit haben Sie schon realisiert, was Sie da erwartet?
Natürlich ist das für mich als Trainer auch etwas ganz Besonderes, bei der ersten EM gleich ins Achtelfinale zu kommen und im Wembley spielen zu dürfen. Aber das hat ja leider nicht nur positive Seiten.
Was meinen Sie genau?
Die Gesundheit steht immer an erster Stelle. Aber bei allem Verständnis für die Einreisebestimmungen, die auf Grund der Mutation in England gelten, wäre es ja der Wahnsinn, wenn unsere Fans nicht dabei sein könnten. Es ist ja nicht alltäglich, dass wir ins Achtelfinale kommen. Und dann sind nach jetzigem Stand fast keine österreichischen Fans im Stadion – auch nicht jene aus Italien. Da hat es für mich keinen Sinn, in London zu spielen. Die Organisation der UEFA ist bis jetzt wirklich perfekt. Aber in diesem Fall hoffe ich im Sinne der Fans, dass eine Lösung gefunden wird. Eine Möglichkeit wäre es, den Spielort zu verlegen. Ich hoffe, dass uns so viele Fans wie möglich begleiten. Das ist mein Herzenswunsch.
Und wenn das nicht erlaubt ist?
Dann wünsche ich mir eine Rekordeinschaltquote im Fernsehen. Das hat sich diese Mannschaft absolut verdient.
Was ist gegen Italien möglich?
Italien ist 30 Spiele in Folge ungeschlagen. Das beweist, dass sie über einen längeren Zeitraum in guter Form sind. Aber irgendwann reißt jede Serie einmal. Wir haben Historisches geschafft, wollen aber noch etwas drauflegen. Man muss das Unmögliche versuchen, um das Mögliche zu erreichen.