Die Ausgangsposition vor dem entscheidenden EM-Gruppenspiel von Österreichs Fußball-Nationalteam heute in Bukarest gegen die Ukraine ist einigermaßen absurd. Mit einem Remis wären mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit beide Teams weiter. Gewinnt Österreich, würde im Achtelfinale in London Italien warten. Bei einem Unentschieden hätten die Ukrainer als Gruppenzweiter dieses schwierige Los.
Das ÖFB-Team wäre nach einem Remis mit vier Punkten und einem ausgeglichenen Torverhältnis aller Voraussicht nach einer der vier besten Gruppendritten. Weitergehen würde es in diesem Fall in der ersten K.o.-Runde entweder in Bukarest gegen den Sieger der Frankreich-Gruppe oder - dem aktuellen Turnierverlauf nach wahrscheinlicher - in Glasgow gegen jenen der Gruppe mit Spanien, Schweden, der Slowakei und Polen.
Die Wettquoten der Buchmacher auf ein Remis zwischen Österreich und der Ukraine sind deutlich niedriger als bei allen anderen ausständigen EM-Partien. Auf Rechenspiele wollten sich die ÖFB-Kicker im Vorfeld aber nicht einlassen. "Wir spielen sicher nicht auf ein X. Das ist das Schlechteste, was man tun kann. Wenn man nur verwaltet, wird man passiv", erklärte Xaver Schlager am Samstag im Teamcamp in Seefeld. "Wenn man einfach nur das 0:0 über die Zeit bringen will, ist das der komplett falsche Ansatz."
Ähnlich sah das sein Mittelfeld-Kollege Florian Grillitsch. "Wenn du mit der Einstellung reingehst, dass du unbedingt Unentschieden spielen willst, kann das auch nach hinten losgehen", meinte der Hoffenheim-Legionär. Die Situation, dass ein Remis beiden Teams reichen würde, sei der Mannschaft aber bewusst. "Deswegen ist es schwierig zu sagen, wie die Ukraine agieren wird - ob sie abwartend spielen, auf Umschaltmomente warten, oder ob sie vorne draufgehen."
Primäres Ziel der Österreicher sei es, erstmals das EM-Achtelfinale zu erreichen. "Ob als Zweiter oder Dritter, ist dann eher ein Luxus", sagte Grillitsch. Die Partie hätte "eine Riesenbedeutung für ganz Österreich, nicht nur Fußball-Österreich". Er sei in jedem Fall positiv gestimmt. "Für solche Spiele lebt man. Sicher ist auch ein Druck dabei, aber es ist positiver Druck. Wir können einiges gewinnen, das erste Mal ins Achtelfinale einziehen. Ich glaube, das ist ein Push für jeden Einzelnen."
Christoph Baumgartner verspürt bereits "pure Vorfreude auf das kleine Finale", wie er es nannte. Dass beide Mannschaften mit der Einstellung starten würden, dass ihnen ein Punktgewinn reicht, kann sich der Offensivmann nicht vorstellen. "Das habe ich noch nie in meinem Leben gemacht. Das hat wahrscheinlich noch keiner von uns gemacht, dass er in die Partie geht und sagt: 'Okay, wir spielen heute sowieso unentschieden.' Ich glaube, das geht gar nicht auf dem Niveau."
Beide Teams würden im Spielverlauf versuchen, die Partie auf ihre Seite zu ziehen. "Möglicherweise ist es dann so, dass nicht von Anfang an beide Mannschaften ins absolute Risiko gehen", vermutete Baumgartner. "Aber ich glaube schon, dass es grundsätzlich unser Spiel ist, Druck aufzubauen und das eine Tor mehr zu machen als der Gegner. Ich bin sehr, sehr zuversichtlich, dass uns das mit unserer Qualität auch gelingt."
Konrad Laimer erwartet, dass die Ukrainer eher abwartend agieren und dem ÖFB-Team den Ball überlassen werden. Das hätten auch schon Nordmazedonien (3:1) und die Niederlande (0:2) so gemacht. "Wir wollen auf Sieg gehen, weil alles andere liegt uns nicht", betonte der Leipzig-Legionär. "Ich bin auch kein Fan davon, abwartend oder auf Unentschieden zu spielen. Das finde ich nie gut."
Das Horrorszenario für Österreich wäre, nach einer Niederlage noch zwei Tage in Seefeld zittern zu müssen, ob man als Gruppendritter mit negativem Torverhältnis im Turnier bleibt. "Natürlich wollen wir die Situation verändern, dass wir da mit drei Punkten nach dem letzten Spiel dasitzen und warten müssen, wie die anderen spielen", sagte Laimer. "Wir wollen das am Montag fix machen."