Er ist schon von sehr vielen Annehmlichkeiten begleitet, der Heimvorteil im Fußball. Die Niederländer kommen bei sämtlichen drei Gruppenspielen in den Genuss dieses unbezahlbaren Entgegenkommens durch die Eigenarten des Vielvölkerturniers. Kein Wunder, dass der Gegner der Österreicher dem nächsten Match sehr entspannt entgegenblickt.
Inmitten eines ausgedehnten Waldgebiets, rund 50 Kilometer südöstlich von Amsterdam, hat der Königlich-Niederländische Fußballverband (KNVB) sein Hauptquartier aufgeschlagen. Das Trainingszentrum spielt alle Stückl´n, und ganz besonders ins Ohr geht die Stille des Ortes. Die Oranje-Profis kosten sie auch beim Abschlusstraining zur Genüge aus, die Ruhe vor dem Sturm. Das Stadion mit seiner (durch die Fan-Beschränkung etwas reduzierten) Atmosphäre ist den Spielern nur allzu vertraut.
Es läuft alles sehr gemütlich ab und geht in Richtung unschlagbare Lockerheit, als sich die Kicker - in typisch holländischer Manier - mit den Radl´n zur finalen Übungseinheit vor dem Match gegen die Österreicher begeben. Ganz vorne kurbelt ein alter Bekannter, der schon zu seiner Aktivenzeit stets in der Spitze zu finden und dies auf höchstem Niveau. Ruud van Nistelrooy, der frühere Stürmerstar von Manchester United und der Elftal, gehört zum engsten Trainerstab von Bondscoach Frank de Boer.
Der Teamchef bleibt gelassen
Letzterer nimmt die in den vergangenen Tagen und Wochen permanent an ihm geübte Kritik im eigenen Land mit Gelassenheit zur Kenntnis. "Wir wollen versuchen, guten Fußball zu zeigen, wir sind voll konzentriert und werden auf das nicht eingehen, was von außen an uns herangetragen wird", weist der niederländische Teamchef die Angriffe als Einmischung ab. "Ich hoffe, dass jeder unsere Idee versteht. " Man dürfe die verschiedenen Meinungen nicht einwirken lassen. "Wir müssen unserer Linie treu bleiben, um unser Ziel zu erreichen." Der 3:2-Erfolg über die Ukraine hat das zuvor eher unter einem eurowürdigen Niveau liegende Stimmungsbarometer im Land etwas anschwellen lassen.
Die Österreicher hätten auf ihn, sagt de Boer, "einen guten Eindruck" hinterlassen. "Sie werden uns das Leben schwer machen", erklärt der 51-Jährige, der allerdings davon überzeugt ist, dass die Aufgabe für die Gegner ohne Marko Arnautovic um einiges komplizierter zu lösen sein werde. "Ich kenne ihn. Es ist schade für Österreich, aber für uns natürlich ein Vorteil. Gegen Nordmazedonien ist er hineingekommen und hat sofort den Unterschied ausgemacht", glaubt De Boer an eine Schwächung der rot-weiß-roten Auswahl.
Diese darf sich gefasst machen auf einen gewaltigen Offensivdrang des niederländischen Teams durch Memphis Depay & Co.. "Wir sind selbstbewusst, wollen unser Spiel durchziehen und werden sehr hoch pressen", kündigt der Bondscoach an. Das wäre was für die niederländischen Fans, der "totale Fußball" (voetbal total), mit dem die legendäre niederländische Mannschaft rund um Johan Cruijff in den Siebziger Jahren für Furore gesorgt hat. Doch das ist wirklich schon sehr lange her.
PS: Dass ein Flugzeug über dem Trainingsgelände eine Schleife zog mit einem Banner und der Aufschrift: "Auf Wiener Schnitzel", wirkte angesichts der Örtlichkeit etwas seltsam. Es sollte die Österreicher treffen. Gemeint war: "Auf Wiedersehen, ihr Schnitzel."