Ich wäre sehr stolz, hieße der österreichische Nationaltormann im rosaroten Kostüm eines Tages Gstättner, schon weil ich selbst als Bub unbedingt Nationaltormann werden wollte. Geworden bin ich schließlich Schriftsteller, also wenigstens so etwas Ähnliches. Ob Ingeborg Bachmann genauso stolz gewesen wäre, dass ihr Nachfahr zwischen den Pfosten Bachmann, Daniel Bachmann nämlich, heißt, muss Spekulation bleiben.
Aber wie ist es umgekehrt? Vielleicht ist ja der Tormann stolz darauf, dass er wie die Dichterin Bachmann heißt? Und hat sie nicht geschrieben: „Gebt ihm eine Chance! Gebt meinem Kind, eh es verdirbt, eine einzige Chance! Ich musste handeln, mit ihm weggehen, mit ihm auf eine Insel verziehen. Aber wo gibt es diese Insel, von der ein neuer Mensch eine neue Welt begründen kann?“ Na wo wohl? England! Watford! Allerdings können sie in der Fremde nirgends „Bachmann“ sagen: In Rom sagen sie „Backmanne“, in England „Badman“. „Gstättner“ können sie noch weniger… ein Jammer!
Gerade erst hat Bachmann auf der Insel sein Nationalteamdebüt gefeiert, und nun tritt tatsächlich der sensationelle historische Fall ein, dass Bachmann genau zu der Zeit für Österreich bei der Euro das Tor hütet, in der in Klagenfurt der Bachmannpreis stattfindet! Den wird er freilich nicht gewinnen – da wird er noch eher Europameister! - aber der Torhüter Bachmann könnte doch am Vorabend seines Einsatzes gegen die Niederlande im Bett seines Zimmers im Teamquartier einen Erzählband der Dichterin Bachmann zu Hand nehmen und zufällig über die Stelle stolpern: „Er verspielte die Jahre… ich gönnte ihm Spiele, aber nicht diese, die ihn hinweisen auf spätere Spiele, Verstecken und Fangen, Abzählen und Ausschneiden…“ – „Verstecken dürfen wir uns natürlich auch gegen die Holländer nicht, aber fangen werde ich die Bälle, es sei denn, sie flattern zu arg.“ – „Er war nur auf Nachahmung aus. Immer wieder teilt sich alles in oben und unten, gut und böse, hell und dunkel, in Zahl und Güte, Freund und Feind…“ – „Was hat sie bloß? Sie hadert mit mir, wie man mit einem Menschen nicht hadern darf, da er nicht Herr über solche Unbegreiflichkeiten wie Tod und Leben ist!“
Da kommt Franco Foda und ruft ernst: „Daniel, Licht aus! Morgen spielst du!“ Aber mit der Taschenlampe liest Daniel Bachmann unter der Bettdecke weiter und stößt auf den schönen letzten Satz der Erzählung „Das dreißigste Jahr“: „Ich sage dir: Steh auf und geh! Es ist dir kein Knochen gebrochen.“ Den Satz könnte er morgen brauchen! Aber vorher schon hat Bachmann einen anderen Satz gelesen: „Wie alle Geschöpfe kommt er zu keinem Ergebnis.“ Und da denkt Bachmann: „Ich schon!“
Egyd Gstättner