Sie beobachten Rassismus im Fußball seit mehr als zwei Jahrzehnten. Schaut man sich die aktuellen Vorfälle an, hat sich offenbar nicht viel verändert.
KURT WACHTER: Zum Zeitpunkt der Gründung der Kampagne fairplay im Jahr 1997 ist Rassismus in Österreich und Europa ungefiltert passiert. Bei Rapid sind migrantische Kinder in eine Zigeunerkabine eingeteilt worden. Beim Europacupspiel 1994 zwischen Salzburg und Frankfurt gab es Affenlaute bei jeder Ballberührung von Anthony Yeboah – von der Mehrheit der 50.000 im Praterstadion. Oder Antisemitismus gegen die Austria, die als Judenklub bezeichnet wurde, oder Rapid als SC Jugo. Aus Protest gegen Türken wurden Hofer-Sackerl in die Höhe gehalten.
Rassismus war vor 20, 25 Jahren stärker ausgeprägt?
Ja, schon. Mit Kampagnen wie fairplay haben wir das Thema angestoßen, die UEFA zog 2004 nach, die FIFA hat 2006 Disziplinarregeln erlassen. Früher hieß es, Rassismus ist ein Problem der Gesellschaft und der Fußball ist das Opfer. Es hat sich viel getan.
Zum Beispiel?
Ein positiver Wandel ist, dass Rassismus heute thematisiert wird, wenn etwas passiert. Es wird nicht mehr unter den Teppich gekehrt. Es gibt den großen Sprung von der Ignoranz zur Öffnung analog zum gesellschaftlichen Wandel in Europa.
Gibt es in österreichischen Stadien eigentlich mehr oder weniger rassistische Vorfälle als in Nachbarländern wie Deutschland, Italien oder Schweiz?
Da gibt es keine Statistiken. Bei uns ist das Prozedere so, dass Vorfälle bei einer Meldestelle angezeigt werden. Im Herbst gab es elf Anzeigen wegen Diskriminierung wie bei homophoben Spruchbändern bei der Austria. Oder in der 2. Klasse in Niederösterreich bei Hundsheim gegen Prellenkirchen. Da hat der Heimverein Rufe wie Hundstschuschen oder Scheißkanaken angezeigt. Wir haben Prellenkirchen ein Angebot zu Gesprächen und Aufklärung gemacht, doch das wurde abgelehnt. Wir lassen uns das nicht umhängen, haben sie gemeint.
Es ist also noch viel zu tun.
Es gibt bei uns nicht so wie in Deutschland eine unabhängige sozialpräventive Fanarbeit. Die Strukturen in den Vereinen sind dafür nicht geeignet, das erledigen jetzt Klubangestellte. Es gab diesbezüglich zwar Versuche in Salzburg, Innsbruck oder in Lustenau, aber das ist alles den Bach runtergegangen.
Was sind die großen Baustellen, die geschlossen werden müssten?
Da ist die Fanebene, wie gerade beschrieben. Auch die Spieler haben eine Selbstverantwortung, da ist mehr Mündigkeit gefragt. Die Schiedsrichter sollten speziell in niedrigeren Klassen genau hinhören und den Mut haben, zu unterbrechen. Der Fußball alleine ist mit dem Thema Rassismus überfordert und bräuchte Experten von außen. Trotzdem ist der Fußball im Vergleich zu anderen Bereichen schon relativ weit, weil es ein Regulativ gibt.