Weltmeister Deutschland steht im Halbfinale der Europameisterschaft. Es ist keine große Überraschung. Keine andere Nation kann auf so viel geballte Qualität im 23-Mann-Kader zurückgreifen. Noch dazu treten die Deutschen trotz enormer individueller Qualität als Einheit auf – im Gegensatz zu Nationen wie Spanien oder Belgien.
Zum fünften Mal in Folge als Cheftrainer steht Joachim Löw bei einer Endrunde unter den letzten Vier. Dort muss der Teamchef allerdings personelle Veränderungen vornehmen. Mats Hummels ist nach seiner zweiten gelben Karte im Turnier zum Zuschauen verdonnert. Blöder erwischte es Mario Gomez. Für den Angreifer von Besiktas Istanbul ist die EM zu Ende. Der einzige echte Mittelstürmer im Kader erlitt im Spiel gegen Italien einen Muskelfaserriss im rechten Oberschenkel. „Es tut mir leid für Mario. Er hat bei der EM starke Leistungen gezeigt und der Mannschaft nicht nur mit seinen Toren sehr geholfen“, sagt Löw. „Für uns heißt das, dass wir die neue Situation annehmen und Lösungen finden müssen. Und das werden wir.“

Möglicherweise könnten auch Sami Khedira und Kapitän Bastian Schweinsteiger ausfallen. Khedira laboriert an einer Adduktorenverletzung im linken Oberschenkel, Schweinsteiger macht eine Außenbandzerrung zu schaffen. So könnte Joshua Kimmich neben Toni Kroos in seiner angestammten Position im zentralen Mittelfeld zum Einsatz kommen. Auch Jonas Hector wird sein Stammleiberl nach einer starken Partie, in der er den Assist zum 1:0 durch Mesut Özil beisteuerte und den entscheidenden Elfmeter verwertete, sicherhaben.

Wilde Diskussionen

Vielleicht kommt es zu einer erneuten Anwendung der Dreierkette. Dabei hatte TV-Experte Mehmet Scholl die Umstellung vom 4-2-3-1 auf ein 3-5-2 scharf kritisiert, besser gesagt den deutschen Chefscout Urs Siegenthaler. „Er möge bitte seinen Job machen, morgens liegen bleiben, die anderen zum Training gehen lassen. Ich weiß nicht, ob es nur Siegenthaler ist, aber Jogi Löw wacht nicht nachts auf und sagt: ,Jetzt hab ich’s: Dreierkette, Dreierkette, Dreierkette‘. Das hätte man auch anders lösen können“, sagte Scholl.

Dass der ehemalige Bayern-Fußballer (zum wiederholten Mal) völlig über das Ziel hinausschoss, zeigte der Spielverlauf. Denn die Italiener kamen zu keiner echten zwingenden Torchance, Deutschland agierte feldüberlegen. „Sie spielen mit zwei Mann auf den Seiten ganz hoch und mit zwei zentralen Stürmern. Vier gegen vier spielen ist gegen sie gefährlich. Ihre Automatismen spielen sie super, aber sie sind leicht berechenbar. Deswegen mussten wir das Zentrum zumachen“, erklärte Löw seine Beweggründe.

Deutschlands Teammanager Oliver Bierhoff kritisierte Scholl scharf: „Er hat den gesamten Trainerstab damit angegriffen, aber er kennt unsere Abläufe nicht. Das ärgert uns unglaublich.“