Die Schweiz und Polen planen im weiß-roten Duell um den Viertelfinal-Einzug bei der Fußball-EM Historisches. Die Eidgenossen könnten am Samstag (15.00 Uhr) in Saint-Etienne erstmals seit der WM 1954 in die Runde der besten acht eines Großturniers vorrücken. Die Polen stehen indes erstmals seit der WM 1986 auf internationaler Bühne in einer K.o.-Phase - und wollen nun ebenfalls mehr.
Eine Torparade werden sich die Zuschauer im Aufeinandertreffen zweier Gruppenzweiter wohl nicht erwarten dürfen. Die Schweiz (5 Punkte) beendete die erste Turnierphase in Frankreich mit einem Torverhältnis von 2:1 nach drei Spielen, die Polen (7) kamen ihrerseits auf ein 2:0. Beiderseits hoffte man darauf, dass die Offensivstars ihre Torflauten beenden. Der Schweizer Xherdan Shaqiri wartet ebenso wie Polens Robert Lewandowski bei der EM noch auf das Premierentor.
Vor allem um den Torjäger des FC Bayern entfachte in den vergangenen Tagen eine Debatte. Seit sechs Länderspielen bzw. dem 2:1 gegen Irland im Oktober des Vorjahres hat Lewandowski für Polen nicht mehr getroffen, beim 1:0 gegen die Ukraine ließ der Kapitän zuletzt eine Topchance ungenutzt.
Polens Trainer Adam Nawalka wollte von einer Formkrise seines Stars naturgemäß nichts wissen. Er hob Lewandowskis mannschaftsdienliche Spielweise hervor. "Er ist ein unglaublich wichtiger Spieler für uns. Er ist eine Maschine, wie eine Lokomotive und versorgt uns mit Energie", lobte Nawalka.
30 Bundesligatore erzielte der 27-Jährige in der vergangenen Saison für die Bayern, mit 13 Toren schoss er Polen zur EM. "Du kannst nicht 60 Spiele in der Saison machen und in jedem Spiel ein Tor schießen", verteidigte sich Lewandowski nach dem Spiel gegen die Ukraine. Er fühle sich gut. "Manchmal habe ich zwei, drei Spieler an mir dran, die ziehe ich mit und dann hat ein Mitspieler freie Bahn", erläuterte Lewandowski seine Rolle.
Bei der ebenfalls erstmals in der K.o.-Runde einer EM stehenden Schweiz heißt sein Pendant Xherdan Shaqiri. Nach zuletzt dürftigen Leistungen wird in der Heimat darüber diskutiert, ob Trainer Vladimir Petkovic gegen Polen auf den eigentlich als Leistungsträger eingeplanten Stoke-Profi verzichten soll. Bei seinen Dribblings agierte Shaqiri bisher ebenso glücklos wie als Einfädler.
Die Worte von Petkovic klangen jenen von Nawalka ähnlich. "Ich bin zufrieden, dass Xherdan derzeit weniger ein Individualist, sondern ein Teamplayer ist. Wenn die Mannschaft gut spielt, profitiert jeder davon", betonte der aus Bosnien stammende Schweizer.
Ein Favorit ist vor dem Spiel jedenfalls keiner auszumachen. Die Schweiz darf verbuchen, sich mit Fortdauer des Turniers gesteigert zu haben. Die "Nati" hat sich nach dem erzitterten Startsieg gegen Albanien gegen Rumänien spielerisch verbessert und gegen Frankreich den angestrebten Punkt souverän erarbeitet. Polen hielt nach dem Erfolg über Nordirland immerhin Weltmeister Deutschland in Schach, gegen die Ukraine ließen die Weiß-Roten aber Chancen zu.
Die Schweiz hat seit 1938 kein K.o.-Spiel bei einer EM oder WM mehr gewonnen. Sie kann gegen Polen erstmals seit 62 Jahren bei einem Turnier unter die letzten acht kommen. Bei der Heim-WM 1954 kam damals mit einem 5:7 gegen Österreich das Aus. Der Länderspiel-Vergleich spricht für die Polen. Von zehn Duellen hat der WM-Dritte von 1974 und 1982 vier gewonnen, nur einmal vor 40 Jahren setzten sich in Basel die Hausherren durch.
Gleich ist den Kontrahenten, dass der Blick auf das Tableau die Hoffnung auf mehr macht. Auf den Sieger würde ein Viertelfinale gegen Kroatien oder Portugal warten. Auf die Schwergewichte Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien oder England würde man erst im Finale am 10. Juli in St. Denis treffen. Die Chance auf den historischen Coup ist für Europas "zweite Garnitur" einmalig groß.