Mehr Hollywood geht eigentlich gar nicht. Denn die Geschichte von Island-Tormann Hannes Halldorsson klingt so kitschig, dass sie direkt aus der Traumfabrik kommen könnte. Ein Skiunfall mit seinem Vater hatte seine Fußballerkarriere im Alter von 14 Jahren eigentlich schon beendet. "Wir haben gewettet, wer als Erster unten ist und sind dabei zusammengestoßen", erzählt Halldorsson in kantigem aber perfektem Englisch. Danach kugelte er sich ständig die Schulter aus.

Halldorsson warf Sport und Schule über Bord, nahm kräftig zu und einen Job in einer Filmproduktionsfirma an. Erst als ihn ein Freund, der einen isländischen Drittligisten trainierte, bat, für seinen Goalie einzuspringen, begann seine Karriere erneut. "Ich hatte 105 Kilogramm, stand vor dem Spiegel und mir war klar, dass es so nicht weitergeht."
Also trainierte er hart, erkämpfte sich einen Stammplatz, stieg von der dritten in die zweite und später in die erste Liga auf, wurde Meister und stand 2011 erstmals im Tor der Nationalmannschaft. Und trotzdem gab es ein Problem: Denn in der Zeit ohne Fußball hatte er sich im Filmgeschäft einen Namen gemacht. Halldorsson dreht skurrile Actionfilme, Werbespots und sogar den Videoclip für Islands Song-Contest-Beitrag 2014.

Also führte er lange Zeit ein Doppelleben. Während seine Kollegen regenerierten, saß er mit dem Laptop im Zimmer und schnitt Filme. "Diese Zeit hat mich geerdet. Viele Jahre hatte ich einen Fulltime-Job und habe daneben trainiert wie ein Profi. Jetzt brauche ich nur noch ein-, zweimal pro Tag trainieren. Das ist ein luxuriöser Lifestyle." Der ihn auch Verletzungspausen, zu denen ihn die Schulter immer wieder zwingt, besser verkraften lässt. "Viele Spieler meinen, dass das hart sein müsse, nur in der Kraftkammer zu trainieren. Aber ich bekomme Geld für etwas, wofür andere Leute bezahlen und was sie nach ihrer Arbeit machen."

Kampf gegen die Natur

Halldorsson ist hart zu sich selbst, einer der über Grenzen geht. "Die Isländer sind eben harte Arbeiter, die sich reinhängen, auf die man sich verlassen kann." Nicht umsonst hat das Land ein Handball-Team von Weltruf, nicht umsonst haben sich erstmals für eine Euro qualifiziert und Portugal einen Punkt abgerungen. Und das bei knapp 330.000 Einwohnern – das sind ungefähr so viele wie Graz und Klagenfurt zusammen haben. "In Island ist das Wetter rau", sagt Halldorsson als Erklärung. "Da mussten viele Generationen gegen die Natur ums Überleben kämpfen. Das hat sich sicher in die Mentalität des Volkes eingegraben, das hat die Nation hart gemacht."

Auf dem Weg nach Frankreich hat Island zweimal die Niederlande geschlagen. "Der 2:0-Heimsieg war der Wendepunkt. Da wussten wir: Niemand hält uns auf." Die Spiele gegen die Oranje haben ihm auch das Engagement bei Nijmegen gebracht, von wo er im Frühjahr nach Glimt in Norwegen verliehen wurde. Jetzt will Halldorsson das Maximum aus dem Sport herausholen. Für die Zeit danach ist aber klar: "Ich kehre ins Filmgeschäft zurück. Das ist meine große Liebe."

Blockbuster-Fan

Dabei mag er vor allem Regisseure, die gute Filme machen und dabei das Publikum faszinieren. "Ich bin nicht so der Art-House-Typ." Action ist sein Genre. Er mag Christopher Nolan, Quentin Tarantino und – auch klischeehaft – Steven Spielberg. "Weil er Filme macht, die etwas in den Zuschauern berühren." Daher sagt er auf die Frage nach seinem Lieblingsfilm auch "Jurassic Park". "Nicht weil es der beste ist, den ich je gesehen habe. Sondern weil es der erste große Film war, den ich mit neun Jahren gesehen habe. Das ist der perfekte Abenteuerfilm, der mich unglaublich beeindruckt hat."

Seine eigene Geschichte kommt Halldorsson, dem Arbeitstier, gar nicht so arg vor, weil es eben in kleinen Schritten vorwärtsgegangen ist. Dann denkt er noch einmal nach, lässt vor seinem geistigen Auge alles Revue passieren. "Ja, doch, das wäre ein Hollywood-Film. Und wenn wir eine gute Euro spielen, sogar mit einem klischeehaften Happy End."

KLAUS MOLIDOR