Auch bei der Fußball-EM ändert sich nichts am Morgenritual des österreichischen Nationalteams. Noch vor dem Frühstück treten die Spieler täglich bei Teamarzt Richard Eggenhofer zur Blutabnahme an. Der Sportmediziner entnimmt den Kickern aus dem Finger eine kleine Menge Blut, die anschließend mit einem Spezialgerät zentrifugiert und danach mit einem Teststreifen in Berührung gebracht wird.
Dadurch werden der Harnstoff- sowie der Kreatinkinase-Wert (CK-Wert) ermittelt. Letzterer gibt Aufschluss darüber, ob Muskelfasern etwa wegen Überbelastung zu Schaden gekommen sind und deswegen eine erhöhte Verletzungsgefahr besteht. "Der CK-Wert ist ein Indikator für die Beanspruchung der Muskulatur. Ist er zu hoch, können Verletzungen entstehen", erklärte Eggenhofer. Der Harn- oder BUN-(Blut-Urin-Nitrogen)-Wert zeigt unter anderem Handlungsbedarf beim Wasser-Haushalt sowie eine mögliche Ausdauer-Überlastung an.
Schnelle Ergebnisse
Die Test-Ergebnisse stehen rund eineinhalb Stunden nach der Blutentnahme fest und haben maßgeblichen Einfluss auf die Trainingsgestaltung. Kicker außerhalb ihrer CK-Norm werden aus dem Mannschaftstraining herausgenommen und absolvieren eine leichtere Einheit. "Es kann sein, dass die Mannschaft im Training in mehrere Gruppen aufgesplittet wird, oder dass generell mit der Trainings-Intensität zurückgegangen wird. Die Letztentscheidung trifft aber der Teamchef", sagte Eggenhofer.
Ein wichtiger Faktor für den Erfolg dieser Methoden ist laut dem 50-Jährigen, dass genügend Vor-Werte der Spieler vorhanden sind, da es keine allgemeingültigen Grenzwerte gibt. Die Ergebnisse müssen individuell betrachtet werden.
Von Kickern wie Sebastian Prödl, Martin Harnik oder Christian Fuchs, die Eggenhofer in seiner langjährigen Tätigkeit beim ÖFB schon auf Nachwuchsebene betreut hat, hat der Teamarzt der U20-WM-Vierten von 2007 genügend Daten. "Von Fuchs habe ich zum Beispiel schon die Werte von der U17-EM 2003 abgespeichert", erzählte Eggenhofer.
Interessant, aber nicht beherrschend
Das Interesse an den Test-Ergebnissen ist bei den meisten Spielern groß. Dadurch steigt auch das Bestreben, immer bessere Werte abzuliefern und noch mehr im physischen Bereich zu arbeiten. Ein allzu beherrschendes Thema sollen die CK-Werte aber nicht werden. "An den Spieltagen machen wir keine Messungen, um die Spieler nicht zu verunsichern. Aber mittlerweile ist das ohnehin praktisch nicht mehr der Fall", betonte Eggenhofer.
Seine Arbeitsweise wird etwa von den Nationalverbänden Portugals, der Niederlanden, Kroatiens und Deutschland in ähnlicher Weise praktiziert, aber auch von manchen Medizinern skeptisch beurteilt. Doch die Resultate sprechen für Eggenhofer: In seiner 19-jährigen Tätigkeit für Nachwuchs-Auswahlen und die A-Auswahl des ÖFB gab es während Team-Lehrgängen keine einzige gravierende Muskelverletzung.
Herzratenvaribilität
Abseits der Bluttests gewinnt der ÖFB-Betreuerstab weitere Aufschlüsse durch die Messung der Herzratenvariabilität von David Alaba und Co. "Auch so wird festgestellt, wie belastbar ein Spieler ist, und wie es mit seiner Regenerationsfähigkeit ausschaut", sagte Eggenhofer. Die daraus erzielten Erkenntnisse decken sich seiner Aussage nach zu 95 Prozent mit jenen aus den Blutabnahmen.
Wichtig für eine optimale Regeneration ist aber nicht nur der tägliche Aderlass. Gleich nach dem Spiel geht es für die Kicker entweder auf den Ergometer oder auf den Massagetisch. Der eine oder andere Spieler springt auch gerne in eine Eiswanne. "Dadurch ziehen sich die kleinen Gefäße zusammen und ein möglicher Bluterguss wird verhindert oder verringert", erklärte Eggenhofer, der im Bereich Fitness eng mit ÖFB-Sportwissenschafter Gerhard Zallinger zusammenarbeitet.