Geht es nach dem Gesetz der Serie, dann kann es bei dieser Europameisterschaft nur einen großen Favoriten geben: Gastgeberland Frankreich. Denn sowohl bei der Europameisterschaft 1984 als auch bei der Weltmeisterschaft 1998 konnte sich die "Equipe tricolore" den Titel sichern. Und wo fanden diese beiden Großereignisse statt? Richtig - in Frankreich.
Doch die Franzosen gehen nicht nur wegen des Heimvorteils als Mitfavoriten ins Titel-Rennen, auch aufgrund der Qualität der Mannschaft muss Frankreich, das zuletzt 2000 dem EM-Pokal in die Höhe stemmen durfte, auf jeden Fall in den Kreis der Titelkandidaten aufgenommen werden.
Vorwürfe und Ausschlüsse
Obwohl der amtierende Champions-League-Sieger Karim Benzema (Real Madrid) aus dem französischen Nationalteam geworfen wurde, weil er in einen Epressungsskandal verwickelt gewesen sein soll. Und auch das vermeintliche Opfer, Mathieu Valbuena, ebenfalls für die Kaderplanung nicht berücksichtigt wurde. Was war passiert? Der Madrid-Akteur soll angeblich mitgeholfen haben, seinen Mitspieler mit einem Sexvideos zu erpressen. Weil es die Harmonie gefähren würde, wurde Benzema nicht einberufen. Der Stürmer holte kürzlich aber zum verbalen Gegenschlag aus und meinte, Teamchef Didier Deschamps habe "dem Druck des rassistischen Teils von Frankeich nachgegeben". Tatsache ist auf jeden Fall, dass Benzema die Heim-EM nur als Fan verfolgen darf.
Neben ihm und Valbuena wird übrigens auch Defensivspieler Mathieu Debuchy (Oberschenkelverletzung) fehlen, Bayern-München-Star Franck Ribery hat seine Nationalmannschaftskarriere schon vor einiger Zeit beendet.
Klingende Namen
Müssen es also die von Deschamps nominierten Fußballer richten und Frankreichs Traum vom EM-Triumph wahr werden lassen. Immerhin hat die französische Nationalmannschaft einen Marktwert von 487 Millionen Euro. Die beiden wertvollsten Akteure sind Paul Pogba (Juventus Turin) und Antoine Griezmann (Atletico Madrid/beide jeweile 70 Millionen Euro). Ersterer wurde mit seinem Verein nun zum vierten Mal in Folge italienischer Meister und zudem heuer und vergangene Saison italienischer Pokalsieger. Zweiterer stand mit seinem Verein heuer im Champions-League-Finale und schoss bislang in 26 Länderspielen sieben Tore.
Zudem gibt da auch noch etwa Arsenals Mittelstürmer Olivier Giroud, der in der Premier League heuer 16 Treffer erzielte und in den vergangenen erfolgreichen Testspielen Frankreichs gegen Schottland (3:0) zwei bzw. gegen Kamerun (3:2) ein Tor geschossen hat. Auch die Manchester-United-Spieler Anthony Martial und Morgan Schneiderlin, Paris-St. Germain-Mittelfeldakteur Blaise Matuidi, Stürmer Kingsley Coman (Bayern München) und Kapitän und Torwart Hugo Lloris (Tottenham) sind in Europas Top-Ligen und bei Spitzenmannschaften gefordert.
Erfolgreiche Statistiken
Somit erhofft sich Frankreich ein eigenes Sommermärchen mit einem Happy End. Die jüngsten Spiele der Nationalmannschaft sind positiv verlaufen, immerhin haben die Franzosen in den vergangenen zehn Spielen neun Siege feiern, lediglich das Freundschaftsspiel gegen England ging 0:2 verloren. Das war jedich nur kurze Zeit nach den Anschlägen in Paris im November 2015. Und Trainier Didier Deschamps weiß, wie sich Erfolge anfühlen. So war er etwa beim Weltmeistertitel 1998 Kapitän der französischen Mannschaft und auch 2000 bei der EM als Aktiver noch dabei.
Skandale
Dabei sind die französischen Fans in letzter Zeit nicht mit Erfolg verwöhnt gewesen. So ging das WM-Finale 2006 in Berlin nach dem unrühmlichen Foul von Zinedine Zidane an dem Italiener Marco Materazzi verloeren, bei der EM in Österreich und der Schweiz 2008 sowie bei der WM in Südafrika 2010 ist die Mannschaft der "Grande Nation" über die Vorrunde hinausgekommen. Bei der WM 2010 sorgte Frankreich mit Querelen für Ausehen, die etwa in einem Trainingsboykott gipfelten. Bei der EM 2012 in Polen und der Ukraine kam das Aus im Viertelfinale.
Doch nun, bei der EM, lässt das Nationalteam die Fans wieder träumen. Vom großen Triumph im eigenen Land.
SANDRA MATHELITSCH