Eineinhalb Stunden vorher war die Pressekonferenz von Blatter nach der Sitzung des FIFA-Exekutivkomitees in Zürich in letzter Minute ohne Angaben von Gründen abgesagt worden. Das lag daran, weil der 79-jährige Schweizer von Vertretern der Bundesanwaltschaft der Schweiz im Anschluss an diese Sitzung "als Beschuldigter einvernommen" wurde.

Gegen Blatter besteht der Verdacht, dass er "am 12. September 2005" mit dem karibischen Fußball-Verband, dessen Präsident damals Jack Warner war, einen für die "FIFA ungünstigen Vertrag abgeschlossen hat. Andererseits besteht der Verdacht, dass Joseph Blatter auch bei der Umsetzung des Vertrages in Verletzung seiner Treuepflichten gegen die Interessen der FIFA (...) verstoßen hat", lautete die Begründung für das Strafverfahren.

Blatter hatte damals TV-Übertragungsrechte für die WM-Turniere 2010 in Südafrika und 2014 in Brasilien für 600.000 US-Dollar (533.760,34 Euro) an Warner, damals auch noch FIFA-Vizepräsident und Präsident des Verbandes von Nord- und Mittelamerika (CONCAF), verkauft. Das geht aus einem Vertrag hervor, den die Sendung "10vor10" des Schweizer Fernsehens SRF vor zwei Wochen veröffentlicht hatte.

Gemäß den auch auf der Internetseite von SRF veröffentlichten Dokumenten wurde der Vertrag am 12. September 2005 einzig von Blatter für die FIFA und von Warner für den karibischen Fußballverband unterzeichnet. Warner soll die TV-Übertragungsrechte zwei Jahre später nach Schätzungen in Medien für 15 bis 20 Millionen Dollar wieder weiterverkauft haben.

Daneben wurde von der Staatsanwaltschaft in der Schweiz aber auch noch ein Deal vor viereinhalb Jahren mit UEFA-Chef Michel Platini angeführt: "Zudem wird Joseph Blatter eine treuwidrige Zahlung von zwei Millionen Franken (1,83 Mio. Euro) im Februar 2011 an Michel Platini (...) zu Lasten der FIFA vorgeworfen, angeblich für die zwischen Jänner 1999 und Juni 2002 geleisteten Dienste."

Deshalb war parallel zu Blatter auch Platini, der sich um die Nachfolge des scheidenden FIFA-Präsidenten beworben hat, "als Auskunftsperson von Vertretern der Bundesanwaltschaft einvernommen" worden. Außerdem wurde am Freitag "mit Unterstützung der Bundeskriminalpolizei (BKP) eine Hausdurchsuchung bei der FIFA in Zürich" durchgeführt. "Dabei wurde auch das Büro des FIFA-Präsidenten durchsucht und Datenmaterial sichergestellt".

Platini verteidigte die empfangene Zahlung in Höhe von zwei Millionen Schweizer Franken (1,83 Mio. Euro) durch Blatter. "Dieser Betrag steht in Bezug zu meiner Arbeit, die ich unter einem Vertrag mit der FIFA geleistet habe, und ich bin froh, dass ich diese Angelegenheit mit den Behörden klarstellen konnte", teilte Platini am Abend mit. "Da ich in der Schweiz lebe, habe ich heute den Schweizer Behörden auch klargemacht, dass ich jederzeit für Gespräche mit ihnen zur Verfügung stehe, um Dinge mit Bezug zu den Ermittlungen klarzustellen", erklärte Platini weiter.

Die FIFA wollte sich zu all diesen Vorwürfen vorerst nicht äußern. "Wir werden keine weiteren Kommentare abgeben, da es eine laufende Ermittlung ist", lautete die Standardantwort. Man werde aber weiter mit den Schweizer Behörden kooperieren.

Ein Anwalt von Joseph Blatter wies die Vorwürfe zurück. "Es hat sicherlich keine Misswirtschaft stattgefunden", betonte Richard Cullen, der Blatter in den USA vertritt. Gleichzeitig wurde von ihm betont, dass der 79-jährige FIFA-Boss mit der Staatsanwaltschaft kooperiere.

Cullen zeigte sich zuversichtlich, dass sich herausstellen werde, dass der von den Behörden überprüfte Vertrag ordnungsgemäß vorbereitet und von den zuständigen FIFA-Mitarbeitern ausgehandelt wurde. Die Staatsanwaltschaft in der Schweiz hat am Donnerstag wegen des Verdachts ungetreuer Geschäftsbesorgung und der Veruntreuung ein Strafverfahren gegen Blatter eröffnet.

Erst vor einer Woche war der langjährige Blatter-Vertraute Jerome Valcke als FIFA-Generalsekretär suspendiert worden. Der Franzose wurde nach "einer Reihe von Vorwürfen" von der FIFA vorläufig seines Amtes enthoben. Gegen den Franzosen sind Korruptionsanschuldigungen im Zusammenhang mit der Vergabe von Ticket-Kontingenten laut geworden, er wies diese zurück. Die FIFA gewährte der Schweizer Staatsanwaltschaft schließlich am Donnerstag Einblick in den E-Mail-Verkehr von Valcke.

Dieser sei beim Treffen der FIFA-Exekutive aber "nur ganz kurz ein Thema" gewesen, berichtete der Chef des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), Wolfgang Niersbach, am Freitag nach der zweitägigen Sitzung am FIFA-Sitz in Zürich. "Das muss man verstehen, es stehen die Anschuldigungen im Raum und auf der anderen Seite das klare Statement, dass diese Anschuldigungen falsch sind. Es gilt die Unschuldsvermutung, es ist ein laufendes Verfahren", sagte Niersbach zur dpa.

Niersbach zeigte sich jedoch nach der Aufnahme des Ermittlungsverfahrens der Schweizer Bundesanwaltschaft gegen Blatter "fassungslos". "In der heutigen Exko-Sitzung ist das mit keiner Silbe erwähnt worden", sagte Niersbach.

"Ich habe das FIFA-Gebäude in dem Glauben verlassen, dass sich Sepp Blatter in der angesetzten Pressekonferenz zur aktuellen Lage äußern wird. Erst später habe ich erfahren, dass durch die Schweizer Behörden ein Verfahren gegen ihn eröffnet worden ist. Die Nachricht macht mich fassungslos", erklärte der DFB-Präsident am Freitagabend in einer schriftlich übermittelten Stellungnahme.

Die ursprünglich für Freitagnachmittag angesetzte Pressekonferenz nach der Sitzung der FIFA-Exekutivkomitees war fünf Minuten vor Beginn abgesagt worden.