Im Schatten der jüngsten schweren Ausschreitungen hat in England der Fußball wieder Saison. Den Unruhen auf der Insel fiel lediglich die Partie Tottenham - Everton zum Opfer, alle anderen Erstrunden-Spiele der wohl stärksten Liga der Welt gehen am Wochenende programmgemäß über die Bühne - darunter auch das Auswärtsmatch von Titelverteidiger Manchester United gegen West Bromwich Albion, den Arbeitgeber von ÖFB-Teamspieler Paul Scharner.

Mit dem Titel-Gewinn im Mai, dem 19. in der Vereinsgeschichte, avancierte United zum alleinigen Rekordmeister vor Liverpool. Doch der Erfolgshunger von Coach Alex Ferguson ist noch lange nicht gestillt. Bereits bei erstbester Gelegenheit erweiterten der Schotte und seine "Red Devils" ihre Trophäensammlung, als sie am vergangenen Sonntag den Stadtrivalen Manchester City im Spiel um den Community Shield nach einem 0:2-Rückstand 3:2 bezwangen.

37. Titel für Ferguson?

Für Ferguson, der am 31. Dezember seinen 70. Geburtstag feiert, war es bereits der 37. Titel mit United. Doch Verschleißerscheinungen oder Rücktrittsgedanken kennt der älteste Trainer der Premier League nicht. "Es ist einfach für mich, motiviert zu bleiben. Die Spieler halten mich lebendig", erklärte Ferguson. Trotz all den Erfolgen gelang es ihm in den vergangenen 25 Jahren immer wieder, die Mannschaft umzubauen und den Erfolgshunger aufrecht zu erhalten.

Auch in diesem Sommer gab es im Kader einige Wechsel. Der 20-jährige Torhüter David De Gea (Atletico Madrid), Verteidiger Phil Jones (Blackburn) und Offensivspieler Ashley Young (Aston Villa) wurden um insgesamt rund 60 Millionen Euro verpflichtet, zudem besteht noch immer Interesse an Inter-Mailand-Star Wesley Sneijder. Die Routiniers Edwin van der Sar und Paul Scholes traten zurück, womit Ryan Giggs als letzter Mohikaner übrig geblieben ist. Der 37-jährige Waliser geht am Sonntag in West Bromwich in seine 22. Saison mit Manchester United.

Als härteste Rivalen von ManUnited gelten Chelsea, Manchester City, Liverpool und Arsenal. Bei Chelsea sorgte in der Sommerpause ausnahmsweise nicht ein Spielertransfer für die größten Schlagzeilen, sondern der neue Trainer. Der Portugiese Andre Villas-Boas wechselte für 15 Millionen Euro - die Rekordsumme für einen Coach - von Europa-League-Sieger Porto an die Stamford Bridge. Dort soll der 33-Jährige, der die Nachfolge von Carlo Ancelotti angetreten hat, endlich den Traum von Roman Abramowitsch, dem milliardenschweren russischen Besitzer von Chelsea, erfüllen: den Gewinn der Champions League.

Lob für den neuen "Blues"-Boss

"Andre ist ein moderner Trainer. Er gehört nicht zur alten Schule und versteht die Sprache der Spieler", lobte Kapitän John Terry vor dem Auftakt-Match auswärts gegen Stoke City seinen neuen Boss. Villas-Boas, der mit Porto in der letzten Saison vier Titel gewann, ist gleich alt wie Didier Drogba und Frank Lampard. Erste Erfahrungen bei den "Blues" sammelte er bereits von 2004 bis 2007, als er im Betreuerstab von Jose Mourinho als Scout agierte. Die Parallelen zum Real-Trainer sind frappant, auch wenn Villas-Boas immer wieder betont, er sei "kein Klon" seines Landsmanns.

Ebenfalls Chancen auf den Titel werden Manchester City eingeräumt. Das arabische Investment von angeblich einer Milliarde Euro in den vergangenen drei Jahren hat sich für die "Citizens" in der abgelaufenen Saison erstmals bezahlt gemacht. Mit dem Sieg im FA-Cup beendete die Mannschaft von Roberto Mancini die 35-jährige titellose Durststrecke, wenige Tage später folgte die erstmalige Qualifikation für die Champions League. Jetzt will City noch mehr: Mit Sergio Aguero wurde der bisher teuerste Transfer in diesem Sommer getätigt, der argentinischen Angreifer bescherte Atletico Madrid über 40 Mio. Euro.

Schon über 100 Mio. Euro gab Liverpool-Trainer Kenny Dalglish aus, seit er Anfang des Jahres Roy Hodgson, der inzwischen West Bromwich trainiert, an der Anfield Road abgelöst hatte. Nach Luis Suarez und Andy Carroll im Winter stießen in den vergangenen Wochen mit Stewart Downing, Jordan Henderson und Charlie Adam drei weitere nicht ganz billige Neuzuzüge zu den "Reds". Nach dem Verpassen eines internationalen Wettbewerbs will Dalglish an die glorreichen 1980er-Jahre anschließen, die er als Spieler geprägt hat.

Arsenal werden nur Außenseiterchancen im Kampf um den Titel eingeräumt, vor allem wenn Cesc Fabregas und Samir Nasri den Verein verlassen sollten. Fabregas dürfte zu seinem Stammverein FC Barcelona zurückkehren, Nasri wird wohl zu Manchester City wechseln, nachdem er die Verlängerung des 2012 auslaufenden Vertrags abgelehnt hat. Seit sechs Jahren wartet das Team von Arsene Wenger, der seit 1996 bei den "Gunners" das Sagen hat, auf einen Titel. Die Londoner stehen vor einem schwierigen Auftakt-Programm - Newcastle, Liverpool und Manchester United heißen die ersten Gegner in der Premier League, zudem stehen die Play-off-Spiele der Champions-League-Qualifikation gegen Udinese an.