Es ist die ganz große Bühne. Die größte überhaupt. Finale der Weltmeisterschaft, Olympiastadion Berlin. Nach einem Turnier voller magischer Augenblicke, besonders im Spiel gegen Brasilien steht Zinédine Zidane ein mal mehr im WM Finale. Nach beschwerlichen 109 Minuten kommt es zu einer Szene, die ihn unsterblich werden lässt.
Um die Ehre seiner Schwerster zu verteidigen, bohrt der geniale Spielmacher der Franzosen seinen Glatzkopf in die Brust von Marco Materazzi. Wenige Sekunden danach weist ihm der argentinische Schiedsrichter Elizondo mit einer roten Karte den Weg in die Kabine. Ikonisch dabei sein letzter Gang vorbei am WM Pokal, den er 8 Jahre zuvor durch ein Meisterstück gegen Brasilien in den Pariser Nachthimmel gestreckt hat.
Nach einigen Stufen ist er weg, für immer verschwunden von der großen Bühne des Fußballs. Zinédine Zidane ist der, an den man denkt, wenn jemand von einem unrühmlichen Ende einer großen Karriere spricht. Fast 20 Jahre später, mit etwas Abstand, erlitt seine Spielerkarriere keinen großen Schaden daraus. Rein spielerisch gab er auch in seinem letzten Spiel, dem WM Finale, den Takt an, wirkte während des gesamten Turniers unantastbar.
Nichts ist älter als der Erfolg von gestern
Fast 18 Jahre später. Sommer 2024. Cristiano Ronaldo spielt mit Portugal das 12 große Turnier seiner Nationalmannschaftskarriere. Nach allen Verdiensten auf Vereinsebene und dem EM-Titel 2016 schickt sich der vielfache Weltfußballer dazu an, ein weiteres Mal Geschichte zu schreiben. 130 Toren in 212 Länderspielen und 14 Tore in 25 Einsätzen bei Europameisterschaftsendrunden. Alle Zahlen sprechen für ihn. Nur eine nicht, sein Alter. Das merken auch seine Mitspieler. Im Spiel ist er fast nicht mehr eingebunden, es wirkt, als würde der Rest des Teams um ihn herum spielen. Torversuche scheitern, die große Tränenshow wird abgespielt. Verballerte Torchancen, junge Talente und gestandene Profis im besten Alter, die für ihn auf der Bank schmoren.
Der portugiesische Kapitän selbst jedoch scheint davon nichts wissen zu wollen. Selbstverständlich schnappt er sich jeden ruhenden Ball, bei dem irgendwie die Möglichkeit besteht, ihn in Richtung Tor zu schießen. Die Leidtragenden sind dabei meist die Tauben unter dem Stadiondach. Nicht nur seine Fähigkeiten, sondern auch die Bälle haben sich verändert und schlagen nur noch selten unerwartete Bögen in der Luft, die dem Torhüter eine Parade unmöglich machen. Das alles und ein Trainer, der sich nicht traut, seinen Superstar auf die Bank zu setzen, ergeben ein gefährliches Gemisch. Portugal spielte zu zehnt.
Ronaldos Bilanz nach dem Turnier: 0 Tore, 1 Assist, 1 verschossener Elfmeter und gefühlt 100 verballerte Freistöße. Tatsächlich kommt CR7 laut whoScored auf 60 Freistöße bei Großereignissen im Nationaltrikot. Dabei traf er einmal ins Tor, 2018, gegen Spanien. Im Vergleich zum Turnier im Russland, bei dem er gemeinsam mit Messi ohne Zweifel das Nonplusultra des Weltfußballs war, spielt er heute eine ganz andere Rolle. Welche genau weiß wohl nur er selbst.
Jordan, Gretzky, Toni Kroos
Dass man als Athlet den richtigen Zeitpunkt für den Absprung übersehen kann, zeigen Beispiele aus der Vergangenheit. Während Michael Jordans Rücktritte und Comebacks aufgrund seiner Leistungen keinen Kratzer an seinem Vermächtnis hinterließen, sieht das bei CR7 anders aus. Wayne Gretzky ging als unangefochtene Nummer 1 des Eishockeysports. Auch zum oben genannten Zidane oder Tom Brady gibt es Differenzen. In der im Weltfußball irrelevanten Saudi Pro League schoss er mit 35 Toren die Liga kaputt, am Ende stand der Vizemeistertitel zu Buche. Im Nationalteam hat er den Absprung verpasst.
Cristiano Ronaldo gehört zu den schillerndsten & erfolgreichsten Figuren des Fußballsports. Wenn Kinder sich Ihre Hälse brechen, um bei einem öffentlichen Training der Portugiesen auf den Rasen zu gelangen, geht es meist um ein Selfie mit dem Superstar. Läuft es, zwei Wochen später dann nicht, ist auch der Spott nicht weit.
Was also unterscheidet andere Größen wie Toni Kroos von einem Cristiano Ronaldo? Der Ehrgeiz, der ihn einst so einzigartig gemacht hat, könnte Cristiano Ronaldo jetzt zum Verhängnis werden. Die immerwährenden Vergleiche der Presse und der Öffentlichkeit mit Lionel Messi haben bestimmt Ihriges dazugetan. Während Toni Kroos, der noch 2-3 gute Jahre in sich hätte, still und leise geht, wirkt Ronaldo wie jemand, der noch eine Mission hat. Auf der ganz großen Bühne, bei der Weltmeisterschaft 2026.
Euro 2024
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