Das Video Ihres ersten Eiskontakts sorgte für Aufsehen. Sogar NHL.com widmete einen großen Bericht darüber. Mit 19 Jahren gehören Sie hinsichtlich Corona eigentlich nicht der Risikogruppe an. Und doch hat sich Ihr Leben seitdem völlig verändert. Wie geht es Ihnen?
Marco Rossi: Es wäre übertrieben, wenn ich sage, es ist alles wie vorher. Denn das stimmt nicht. Aber ich fühle mich sehr gut und versuche Schritt für Schritt zurückzufinden. Zu meiner alten Form, zu meinem Leistungsniveau. Meine Kraftwerte sehen bereits überraschend gut aus. Auf dem Eis fehlen noch gewisse Dinge.
Wie lange durften Sie nicht aufs Eis?
Das letzte Spiel hatte ich mit Österreichs U20-Nationalteam bei der WM in Kanada am 31. Dezember absolviert. Vor zwei Wochen betrat ich das erste Mal das Eis.
Eine so lange Pause hatten sie bestimmt seit vielen Jahren nicht mehr. Wie hat es sich angefühlt?
Beim ersten Mal war es nur eine Stunde. Es ging mir darum, mich wieder ans Eislaufen zu gewöhnen. Klarerweise hatte ich noch Probleme, genügend Luft zu bekommen. Ein früherer Zeitpunkt wäre also undenkbar gewesen.
Was löst so ein Sportverbot bei einem Spitzenathleten wie Ihnen psychisch aus?
Speziell zu Beginn, als klar wurde, dass bei meinen Blutwerten etwas nicht stimmt, war es ein Schock. Ich dachte, das lässt sich sicher schnell mit Medikamenten beheben. Plötzlich teilten mir aber die Ärzte mit, dass die Saison vorbei ist - meine möglicherweise allererste NHL-Saison.
Gab es Lichtblicke?
Meine Familie, meine Freundin und meine Freunde haben mir Rückhalt gegeben. Selbst wenn Sie mich nur für fünf Minuten abgelenkt hatten, mir gab das neue Energie und brachte mich auf positive Gedanken.
Haben Sie sich seit Jänner körperlich in irgendeiner Form betätigt?
Nur spazieren gehen war erlaubt. Der Puls durfte maximal 100 erreichen. Ich habe jongliert oder gedehnt, werde bei allem medizinisch überwacht. Das gibt mir Sicherheit. Auch für die bevorstehenden fünf Wochen, es wartet ein hartes Camp.
Das bedeutet?
Wir trainieren zwei Mal pro Tag in Lustenau auf dem Eis, dazwischen finden noch Krafttrainings statt. Mit dabei sind etwa NHL-Spieler wie Nino Niederreiter (Carolina Hurricanes, Anm.), Timo Meier (San Jose Sharks), Philipp Grubauer (Colorado Avalanche) sowie Benny Baumgartner (Lausanne). Unsere Trainingsgruppe umfasst nur zehn Spieler. Somit kann man intensiv an gewissen Dingen feilen.
Zuletzt haben Sie am Trainingscamp von Nate DiCasmirro in Telfs teilgenommen. Ihre Eindrücke?
Es waren drei Tage mit super Trainingseinheiten. Nate ist ein hervorragender Skills Coach und ich könnte mir vorstellen, auch nächsten Sommer mit ihm zu arbeiten. Wir verfügen über die gleiche Sichtweise, sind auf derselben Wellenlänge. Das ist mir enorm wichtig.
Sie stehen bekanntlich bei NHL-Klub Minnesota Wild unter Vertrag. Dieser überwacht praktisch jeden Ihrer Schritte. Gab es auch eine Impfempfehlung?
Nein, Minnesota hat es mir überlassen. Und ich habe mich vor drei Wochen impfen lassen. Mein Arzt meinte, das wäre das beste für mich.
Wann kehren Sie zurück in die USA?
Das ist noch etwas vage. Zuletzt hieß es, dass die Saisonvorbereitungs-Camps erst Anfang Oktober starten. Minnesota empfahl, bereits ein paar Wochen früher dort zu sein. Und dann will ich alles geben, dass ich es hoffentlich ins NHL-Team schaffe.
Ende August findet die Olympia-Qualifikation in Bratislava statt. Kann man mit Ihnen rechnen?
In erster Linie muss ich jetzt beobachten, wie ich die nächsten Camp-Wochen verkraften werde. Es lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt schwer beurteilen. Die Gesundheit steht an erster Stelle. Minnesota hat das letzte Wort und wirkt auf mich eher skeptisch. Ich habe mich damals in Zürich mit Corona infiziert und bin nach den U20-WM-Einsätzen ausgefallen. Es wäre nicht überraschend, wenn sie sagen: Für die kommende Saison muss Minnesota Wild die volle Aufmerksamkeit erhalten.
Zurück zur Gegenwart. Eine so lange Auszeit von gewohnten Abläufen kann manchmal die Perspektive verändern. Auch bei Ihnen?
Die Pause war, das klingt vielleicht komisch, enorm wichtig. Hinter mir liegt eine harte Zeit. Vieles erscheint mir jetzt unter einem anderen Blickwinkel. Ich bin dankbar, wenn ich morgens aufstehe und schätze kleine Dinge, die für mich selbstverständlich gewesen sind. Ich bin durch und durch positiv, es geht mir gut. Der Wille ist aber noch größer geworden.