Eine Zielsetzung realistisch zu definieren ist aus sportlicher sowie psychologischer Sicht unumgänglich. Selbst wenn es nur klammheimlich innerhalb einer Eishockey-Kabine passiert. Wie es scheinbar beim österreichischen Nationalteam, das vor der Olympia-Qualifikation in Riga steht, praktiziert wird. Deutliche Worte will sich in diesem Augenblick niemand entlocken lassen. Das hat Gründe. Nach den letzten Enttäuschungen, einem Abstieg aus dem A-Pool 2015 in Prag und verpasstem Wiederaufstieg 2016 in Kattowitz, wäre es wohl nicht angebracht über ein Olympia-Ticket zu spekulieren. Mit dem dafür notwendigen Turniersieg bleibt ohnedies weniger Spielraum, als üblicherweise für Klassenerhalt bzw. Wiederaufstieg bei Weltmeisterschaften.
Es liegt allerdings nicht im durchwegs von Villacher Einflüssen geprägten Naturell des Team Austrias, schon vorzeitig den Kopf in den Sand zu stecken. Thomas Raffl weicht zwar ebenfalls aus, wenn es um die Ziele seiner Truppe geht. Vielleicht sogar bewusst. Aber der Routinier weiß genau, die Vorzeichen richtig zu deuten und sich ihrer zu bedienen. "Deutschland (hat sieben NHL-Spieler im Kader, Anm.) ist klarer Favorit. Das kann allerdings auch zur Bürde werden. Was schon die letzte Olympia-Qualifikation bewiesen hat, als der Druck beim Favoriten Deutschland Spuren hinterlassen hat. Oft reicht ein schlechtes Spiel, dass andere profitieren. In einem so kurzen Turnier ist alles möglich", fasst der bullige Stürmer zusammen.
Verantwortung und Freiheit
Die Verantwortung sieht der Kapitän aber nicht nur auf seinen Schultern lasten: "Es könnten fünf Spieler das C auf der Brust tragen. Nicht nur die Routiniers sind gefragt. Jeder einzelne gehört zu diesem Team." Anfängliche systemtechnische Auffassungsunterschiede unter dem neuen Teamchef Alpo Suhonen dürften im Team mittlerweile ausgeräumt sein. Raffl & Co. werden im Eisrink mehr Freiheiten als noch unter Vorgänger Daniel Ratushny zugestanden. "Suhonen hat enorm viel Erfahrung. Er weicht mit seinen Vorgaben nicht sehr viel ab von dem, was wir in der Vergangenheit gespielt haben. Bei ihm findet aber Kreativität genügend Platz", analysiert der 30-Jährige.
Personell gesehen ist zwar der Kader neben den NHL-Spielern Michael Raffl und Michael Grabner stark besetzt. Abgesagt hat in der Zwischenzeit jedoch Bernhard Starkbaum. Österreichs Einser-Torhüter ist in Wien geblieben und am Mittwoch zum zweiten Mal Papa geworden. Erneut stellt sich die Frage, warum DEL-Mann Mathias Lange ignoriert worden ist. Im heutigen Duell gegen die mit KHL-Legionären gespickte Truppe aus Lettland wird einer der beiden jungen Goalies David Madlener und David Kickert einlaufen. Ob sie die Kohlen aus dem Feuer holen können, wird sich zeigen.
So eine Außenseiterrolle, in der sich Österreich damit befindet, kann jedoch in der Kabine viel bewirken, auch hinsichtlich Eigendynamik. Da braucht es nicht immer laut deklarierte Ziele.