Eine Entscheidungspartie sei das Spiel gegen Slowenien. So wurde die Eishockey-U20-WM der Division IA skizziert. Von den Trainern, Spielern, Eltern, Fans und Experten. Das ist es tatsächlich, aber anders. Nicht in den kühnsten Träumen wagte selbst der unverbesserlichste Optimist daran zu denken, dass Österreichs U20 vor dem letzten Spieltag den Aufstieg in die Top-Division aus eigener Kraft schaffen könnte. Drei Punkte gegen die Slowenen und das Ding ist durch - egal, was die vor dem Turnier schier übermächtigen Gegner wie Lettland, Weißrussland, Dänemark oder Norwegen anstellen. Nur ein einziges Team schafft es im Übrigen in die Elite, die nächstes Jahr ausgerechnet im Mutterland des Eishockeys spielt (Edmonton/Red Deer).
Nach einer soliden Leistung gegen Weißrussland (3:4), feierte die Truppe um Teamchef Marco Pewal trockene Siege gegen Norwegen (5:2), A-Absteiger Dänemark (4:2) und Lettland (2:1). Vor allem Davos-Stammkraft Benjamin Baumgartner drückte bei diesen Vorstellungen seinen Stempel auf. Mit fünf Treffern und ebenso vielen Torvorlagen hat sich der Salzburger zum Turnier-Topscorer geschossen. Und der Villacher Torhüter Alexander Schmidt hatte mit seinen Paraden (91,82 Prozent Fangquote, 2,25 Gegentorschnitt) ebenfalls einen gewichtigen Anteil für den möglichen Aufstieg von Team Austria.
Attraktive WM-Auftritte
Auffallend, und wohl hauptverantwortlich für die greifbare Sensation sind jedoch die taktische Disziplin der Mannschaft sowie der immense Zusammenhalt der Truppe. Auf dem Eis wurde bisher eine Intensität gezeigt, die in puncto Attraktivität wohl viele der heurigen EBEL-Partien in den Schatten stellt. Nicht nur aufgrund des Erfolgs. Schnelles, körperbetontes, couragiertes Eishockey ist die Zukunft, das U20-Team stellt es perfekt zur Schau. Wenn es etwas zu bemängeln gibt, dann das Powerplay. Die Quote von 12,5 Prozent hat viel Luft nach oben.
Und so schnell ändern sich die Dinge: "Klassenerhalt war eigentlich unser Minimalziel. Als wir angekommen sind und die Gegner beobachtet hatten, wurde uns klar, dass da etwas drinnen ist. Speziell, wenn unsere Top-Spieler performen, wie sie es jetzt zeigen. Wie Benjamin Baumgartner. Es ist schon ein Wahnsinn, dass wir es jetzt selbst in der Hand haben", kann Co-Trainer Philipp Pinter seine Euphorie kaum verbergen und er schwärmt weiter: "Was die Mannschaft leistet, was sie für ein Kollektiv sind, wie sie Dinge umsetzen - der Teamgeist ist wirklich, wirklich, wirklich hervorragend. Die Burschen spielen gemeinsam und glauben an das gleiche Ziel. Keiner spielt für den Namen auf dem Rücken."
Blickt man auf die Kaderliste, fehlt ein wichtiger Name: Österreichs NHL-Draft-Hoffnung für 2020, Marco Rossi, musste dem Nationalteam absagen. Neben Baumgartner sind Julian Payr (Ambri/NLA), Luis Lindner (Boston Junior Bruins/NCDC), David Maier (Peterborough Petes/OHL), Thimo Nickl (Drummondville Voltigeurs/QMJHL) sowie die Schweden-Legionäre Jacob Pfeffer, Lucas Thaler und Leon Wallner die großen Aushängeschilder. Im Tor ist Alexander Schmidt die unumstrittene Nummer Eins. Ansonsten hat zwar niemand der Protagonisten einen Fixplatz in einem der österreichischen EBEL-Teams. Doch die meisten Cracks sind Erwachsenen-Eishockey gewöhnt aus der Alps-Hockey-League, die 2016/17 ins Leben gerufen worden ist.
Erwachsenen-Eishockey gewöhnt
Baumgartner sieht darin einen wichtigen Aspekt für den aktuellen Erfolg: "Wir verfügen über ganz andere Voraussetzungen, weil ja jeder ein höheres Niveau gewöhnt ist. Dieser Vorteil ist auf dem Eis ersichtlich. Außerdem spielen wir mit vier starken Linien. Die besten Spieler sind da, unsere Konstanz zeichnet uns aus", erklärt der 19-Jährige. Außerdem sei eine deutliche Leistungssteigerung vollzogen worden. Setzte es im letzten Test noch eine 2:9-Klatsche gegen die Letten, wurde diese Mannschaft zum richtigen Zeitpunkt mit 2:1 besiegt.
Nun gilt es den Fokus auf den potenziellen Abstiegskandidaten Slowenien zu richten. Im abschließenden Spiel darf der Gegner nicht unterschätzt werden. Gerade Baumgartner kann hier aus Erfahrung sprechen. Der Schweiz-Legionär wurde bei der WM in Bratislava mit dem A-Team gegen Italien als haushoher Favorit gehandelt und erlebte am Ende ein Desaster, samt Abstieg. "Es wird schwierig, nicht mit dem falschen Mindset in die Partie zu gehen. Wir müssen uns bewusst sein, dass wir um den Aufstieg spielen und alle Sachen so erledigen, wie in den letzten Tagen", warnt der Turnier-Topscorer. "Wir haben schon oft wichtige Spiele im Nachwuchs verloren. Das wird uns dieses Mal nicht passieren."
Erst dann darf Team Austria mit der U20-Weltmeisterschaft der Top-Division - den World Juniors planen. Während die Senioren nächstes Jahr in Ljubljana um den Wiederaufstieg kämpfen, würde der Nachwuchs nach Kanada (Edmonton/Red Deer) reisen. Dort wartet die Creme de la Creme mit Gegnern wie Kanada, USA, Russland, Schweden, Finnland oder Schweiz. Und einige der diesjährigen WM-Helden wären dann sogar noch spielberechtigt.