Herr Präsident, in der EBEL heißt es ja immer, dass es zu wenige Österreicher gibt, die auf diesem Niveau spielen können. Raphael Wolf – ein EBEL-Reservist, der plötzlich A-WM spielt. Was empfinden Sie?
GERNOT MITTENDORFER: Ich bin froh, dass er aufgezeigt hat. Wir sagen ja immer, dass es die Spieler gibt. Sie brauchen Chancen und Eiszeit. Bleiben wir realistisch. Wenn man zu schnell die Imports reduziert, leidet das Niveau. Das hätte zwei oder drei Jahre lang Auswirkungen.
Die Schweiz wird immer wieder als Beispiel genannt ...
GERNOT MITTENDORFER: Die Schweiz hat den radikalen Weg gewählt. Die Frage lautet: Wie wirkt sich so etwas auf das Publikumsinteresse aus? Und auf das Nationalteam. Der Abstieg wäre vorprogrammiert. Das Premium-Produkt ist aber das Team. Wir müssen versuchen, erstklassig zu bleiben.
Wird nicht ständig versucht, an der falschen Stelle zu flicken?
GERNOT MITTENDORFER: Wir versuchen gerade, ein ordentliches Fundament zu legen. Es werden nächste Saison zwei zusätzliche Klubs in der Alps-Hockey-League spielen.
Moment. Da legen sich ja die Italiener quer?
GERNOT MITTENDORFER: Da ging es nur um den Teamnamen. Die Italiener wollen so keine Abwertung erfahren, durch Juniors oder Farmteam.
In Ländern wie Slowakei gibt es die Möglichkeit, dass bei einer ungeraden Anzahl von Teams ein U20-Team mitspielt. Ist so etwas in Österreich denkbar?
GERNOT MITTENDORFER: Das muss erst finanziert werden. In der Slowakei spielt ein fixes U20-Team in der slowakischen Liga mit. Bei unserem Aufwand in der EBEL wären das 15 Prozent unseres gesamten Budgets. Man müsste dann stattdessen das komplette Jugend- oder Damenprogramm streichen. Das wollen wir nicht. Ist nicht drinnen.
Wäre es nicht wichtig, dass sich der Verband wieder selbst um die Ausrichtung der höchsten Eishockey-Spielklasse kümmert?
GERNOT MITTENDORFER: Da bräuchten wir eine gewisse Vorlaufzeit. Wir könnten es tun, die Frage ist: Ist es das Wichtigste im Moment?
Die Klubs stöhnen unter der steigenden finanziellen Belastung…
GERNOT MITTENDORFER: Es sind keine Abgaben, die Klubs erhalten weniger Einnahmen. Die Sponsoring-Gelder gehen in die Liga und die Schiedsrichter-Kosten müssen nicht mehr von den Vereinen bezahlt werden. Sondern es wird weniger ausgeschüttet. Für die gesamte EBEL betragen die Kosten für Schiedsrichter 890.000 Euro. Damit sind alle Kosten gedeckt. Das sehen die Vereine natürlich nicht.
Warum werden keine Reformen durchgezogen?
GERNOT MITTENDORFER: Es geht nicht darum, etwas durchzuziehen, sondern Kompromisslösungen zu finden.
Und zwar?
GERNOT MITTENDORFER: Man muss den Klubs Planungssicherheit geben, wie mit stufenweiser Import-Reduzierung. Was aber noch im Raum steht, ist die Torhüterfrage. Wir brauchen in der EBEL österreichische Einser-Goalies. Da haben wir noch keine Idee. Aber wir wollen das ja gemeinsam mit den Vereinen entwickeln. Und wir wollen auf dem ganzen Weg keinen Verein verlieren. Es gibt in der Liga elf Klubs und immer wieder Anfragen. Kosice war interessiert. Aber von Dornbirn nach Kosice - das sind Distanzen, da fährt ja kein Fan mehr hin.
Weil wir in Bratislava sitzen: Es gibt immer wieder das Gerücht, dass Slovan Bratislava in die Liga kommt. Ist das realistisch?
GERNOT MITTENDORFER: Es hat vor ein paar Jahren tatsächlich Gespräche gegeben. Damals war Igor Nemecek noch Verbandspräsident und wir haben uns an der Grenze getroffen. Da hat er gesagt, dass es nie passieren wird, dass der slowakische Verband Bratislava die Freigabe erteilt. Slovan hatte sich überlegt aus der KHL auszusteigen, weil das Mindestbudget dort 10 Millionen Euro beträgt. Und die haben für junge Spieler Mindeststandard-Verträge. Davon können wir in Österreich nur träumen. Sie haben dann die Fans abstimmen lassen, wenn sie nicht mehr KHL spielen. Wo sollen sie also spielen? Nummer Eins war die tschechische Liga, zweiter Platz ging an die EBEL und dritter Platz war die slowakische Liga. Slovan ist ein Publikumsmagnet. Der Verband will sie daher im Land behalten. Für uns wäre es natürlich sensationell. Die Halle hier und Derbys mit Vienna Capitals. Immer ausverkauft.
Der Terminkalender war auch oft ein Streitpunkt. Lösungen?
GERNOT MITTENDORFER: Die Klubs wollen möglichst wenige Länderspiele haben, also weniger Pausen. Einen nicht so dichten Spielkalender und damit ein geringeres Verletzungsrisiko. Wir aber wollen möglichst viele Österreicher spielen sehen und dass sie bevorzugt behandelt werden. Das muss man gemeinsam versuchen zu lösen.
Sind sich dessen alle bewusst?
GERNOT MITTENDORFER: Die Klubs wissen, dass das Nationalteam das Premium-Produkt ist. Für die Positionierung des Eishockeysports und für ihre eigene Zukunft. Die Schweiz hat nach dem Vize-Weltmeistertitel im Schnitt einen Zuschauerzuwachs von 500 Fans pro Verein. Das Interesse ist einfach höher, wenn man gegen Russlands Stars spielt, als gegen Ungarn oder Rumänien in der Division I A.
VEU Feldkirch soll 2020 in die EBEL kommen. Und auch andere heimische Klubs würden Interesse zeigen, wenn die Anzahl der Imports reduziert wird. Wäre das nicht erstrebenswert?
GERNOT MITTENDORFER: Klar, aber gleichzeitig stellt sich die Frage: Wieviele Eishockey-Vereine verträgt ein Bundesland? 500, 1000, 1500 Zuschauer sind dann in der Halle. Und man muss ja darauf achten, dass die Klubs wirtschaftlich gesund sind.
Drei EBEL-Klubs in Vorarlberg zum Beispiel bedeuten aber auch mindestens acht Derbys pro Saison.
GERNOT MITTENDORFER: Die bringen sicher etwas. Aber was passiert dann mit dem Rest. Da hätten wir zuviele Veranstaltungen.
Könnten Sie die Anzahl der Spiele ändern?
GERNOT MITTENDORFER: Wir haben es uns zum Ziel gesetzt weniger, aber dafür hochwertigere Spiele zu haben. Derzeit geht es nur um Anzahl, Anzahl, Anzahl. Es ist noch nichts fix, aber Spiele, die nicht sein müssen, könnten wegfallen. In der EBEL und im Nationalteam.
Also die Zwischenrunde?
GERNOT MITTENDORFER (Lächelt): Ich will nicht über die Liga und deren Spielmodus sprechen. Das beschließt der Sportausschuss der EBEL.
Themenwechsel: Kein Geheimnis ist, dass Teamchef Roger Bader bei Ligaklubs kaum Freunde hat, weil er für rasche Reformen eintritt. Schafft es der Verband, ihm den Rücken freizuhalten?
GERNOT MITTENDORFER: Den Headcoach für das Nationalteam bestimmt das ÖEHV-Präsidium. Bader hat zu manchen einen sehr guten Draht und mit manchen arbeitet er noch an einem guten Draht.
Anders gefragt: Baders Vertrag läuft ja bis zur Olympia-Qualifikation 2020 und würde sich bei einem Erfolg automatisch verlängert. Sollte Österreich absteigen ...
GERNOT MITTENDORFER (Unterbricht) ... dann hätte das keine Konsequenzen für Bader.
Man weiß auch, dass der Teamchef heuer auf der Wunschliste von ZSC Zürich standen. Was passiert, wenn Bader überraschend geht – Ihr Plan B?
GERNOT MITTENDORFER: Er hat ja keine Ausstiegsklausel. Im Ernst: Wir würden ihm keine Steine in den Weg legen. Finanziell könnten wir mit ZSC ja nie mithalten. Aber ich will gar nicht spekulieren, weil wir mit Plan A zufrieden sind. Wir werden seinen Vertrag verlängern, weil wir uns im Herbst 2020 für Olympia qualifizieren.
Was würde ein Abstieg finanziell bedeuten?
GERNOT MITTENDORFER: Wir bekommen dann gar keine Unterstützung (etwa 95.000 US-Dollar für die Plätze 13 bis 16, von 9 bis 12 gibt es 190.000, der Weltmeister erhält 1,1 Millionen US-Dollar) mehr von der IIHF. Die Jungs kennen die Situation aus dem Vorjahr, können damit umgehen. Italien hat den Vorteil, ausgeruht zu sein. Mir wäre es lieber gewesen wie 2018 in Kopenhagen: als wir gegen Tschechien den Klassenerhalt bereits fixiert hatten.
Sie halten sich oft mitten unter den Fans bei Österreich-Spielen auf. Um im Kollektiv die Nerven zu entlasten?
GERNOT MITTENDORFER: Nicht wirklich. Wenn früher ein Gegentor gefallen ist, wurde es plötzlich und lange ganz still. Jetzt wird unmittelbar nach der Durchsage die Mannschaft wieder angefeuert. Ich stehe neben dem Präsidenten des Fanklubs und dann kriegen sie die Anweisung den Spielern zu helfen. Ich war in Riga bei der Olympia-Qualifikation erstmals bei den Fans. Die Deutschen und Letten hatten ja die gesamte NHL-Garnitur. Wir haben schlecht ausgeschaut und die Stimmung war ebenfalls schlecht. Ich habe mir dann ein Bier gekauft und auf die Fans eingewirkt, weil es ja nichts bringt, wenn man bitterböse wird. Sie haben dann den UFTA-Fanklub gegründet. Und Henrik Lundqvist etwa hat heuer nach dem Schweden-Spiel über unsere Fans gesprochen, sie waren mit ihrer Polonaise dann sogar im tschechischen TV. Das gehört dazu. Wir haben ein irrsinnig sympatisches Auftreten. Auch die Fans repräsentieren Österreich. Nicht nur Spieler und Funktionäre. Solange ich keine VIPs betreuen muss, werde ich sicher wieder bei den Fans stehen.
Ist Eishockey in Österreich populärer geworden?
GERNOT MITTENDORFER: Wir haben sicher zugelegt, nachdem im Vorjahr die Erstklassigkeit gehalten werden konnte. Und ich denke, dass wir es auch heuer wieder schaffen und einen Schritt nach vorne machen. Es ist ein langer Weg, den wir beschreiten müssen. Man muss halt durchhalten. Ein sichtbarer Fortschritt wäre gewesen, gegen Norwegen einen Punkt zu holen. Oder mit Glück zu gewinnen. Dann wird man nicht mehr Siebenter sondern Sechster. Und nächstes Jahr wird es sowieso brutal. Es gibt von zwei Teilnehmern eine Nicht-Abstiegsmöglichkeit (Weißrussland und Lettland veranstalten die WM 2021, Anm.). Dann müssen wir das leisten, was wir uns heuer aufgespart haben.