Vor einem Jahr stand nicht einmal zur Debatte, wie Österreichs Ziel bei der WM in Kopenhagen lauten muss. "Klassenerhalt" war das einzige Wort, welches damals zu hören gewesen war. Mittlerweile vermeidet man dieses weitestgehend. Nicht etwa aus Resignation. Sondern weil sich insgeheim mehr erhofft wird. Die Vorzeichen sind zumindest kein Nachteil: Teamchef Roger Bader bastelt seit Wochen an seinem Kader, und schreckte nicht davor zurück, die Cracks an ihre körperlichen Grenzen zu bringen. Ohne körperliche Fitness sagt er, seien seine taktischen Vorgaben nicht umsetzbar.
Der A-Klassenerhalt von 2018 hat sich auch auf die Testspiel-Gegner ausgewirkt. Insgesamt 15 von 16 Partien ab November wurden gegen A-Gruppen-Teams bestritten. Vor allem der 3:2-Sieg gegen Deutschland (mit NHL-Spieler Leon Draisaitl) vor wenigen Tagen wurde als kräftiges Ausrufezeichen gewertet. Österreich kommt mit Tempo und Intensität besser zurecht. Auch weil sie, abgesehen von Michael Grabner (verletzt) und Thomas Vanek (Rücktritt), in Best-Besetzung spielen. So ist es wichtig, die Ziele klar zu definieren und die (internen) Ansprüche anzupassen.
Vorbereitung ist alles
Roger Bader lässt sich ungern überraschen. Die Vorbereitung für die WM in Bratislava bereitete er wie immer minutiös vor. Jedes Essen, jede Ruhephase, jeder freie Nachmittag - alles ist geplant. Nicht nur während des Turniers, sondern auch die Wochen davor. Und das betrifft auch die Gegner. Zumindest jene, gegen die sich Österreich offensichtlich etwas erhofft. Russland, Tschechien, Schweden müssen nicht gescoutet werden - ihre Protagonisten sind ständig in den NHL-Videohighlights zu sehen. Schweiz, Lettland, Norwegen (erfolgte bereits in Klagenfurt) und Italien hingegen sehr wohl.
Vor einer Woche empfingen die Eidgenossen zwei Mal hintereinander Lettland. Markus Peintner wurde als Spion nach Herisau und Weinfelden entsandt. Vor allem die Balten zogen seine Blicke auf sich. "Weil es nur wenig Videomaterial über sie gibt und weil der Kanadier Bob Hartley der Truppe ein völlig anderes Gesicht verpasst hat", erzählt der Vorarlberger und präzisiert: "Früher hat Lettland auf seine Einzelspieler gesetzt. Jetzt lässt der Coach zwar individuelle Freiheiten und die Mannschaft tritt dennoch als Team auf. Sehr nordamerikanisch geprägt." Hartleys Erfolg sei an seinem KHL-Team Avangard Omsk ablesbar: "Er hat es mit einer Durchschnittsmannschaft bis ins KHL-Finale geschafft. Und so spielt auch Lettland. Diszipliniert vom Anfang bis zum Schluss."
Peintners Notizen
Peintners Notizen lesen sich folgendermaßen: Lettland spielt 2-1-2, sehr aggressiv, viel Trap, agiert ähnlich wie der KAC in der neutralen Zone, verfügt hinten über eine enge Box wie Bozen 2018, lässt kaum Rebounds zu, hart vor beiden Toren. Wichtig: Lettland sucht keine spielerische Lösung, feuert alle Scheiben auf das gegnerische Tor - Position egal. Randnotiz: Die Schweiz wirkte gegen Lettland verspielt, verfügt natürlich über viel individuelle Klasse (Josi/Fiala/Hischier). Notiert hat er auch das Geschehen, was abseits der Kameras passiert. Stichwort: Wechsel.
Österreich, so fasst der Assistant Coach zusammen, sei der klare Underdog. Er habe zwar gesehen, dass auch die Letten zu knacken sind. "Aber nur dann, wenn man vorbereitet ist. Es gab da ein paar Spielzüge, die hätten uns wohl überrascht." Speziell gemeint sind damit die Bullys: "Sie sind da sehr kreativ und haben ein paar Tricks auf Lager. Damit schaffen sie Chaos." Die generelle Frage wird lauten, ob Team Austria seine Nervosität schnell ablegen wird können.
Teamchef Roger Bader lässt sich vor dem Duell übrigens nicht in die Karten blicken. So hielt er am Freitag geheim, wer für die Österreicher das Tor hüten wird, um dem Gegner keine Einblicke zu gewähren.
Apropos: Zu den ohnehin schon riesigen Torhütern gesellt sich mit NHL-Keeper Elvis Merzlikins (kam nach dem Play-off-Aus von Columbus Blue Jackets sofort zum Team) eine weiterer Hüne auf außerordentlich hohem Niveau.