Schweizer stehen einerseits für Prinzipientreue. Sie verkörpern jedoch auch Experimentierfreudigkeit. Das musste Österreichs Eishockey-Nationalmannschaft erst lernen. Vor seiner allerersten WM 2017 als rot-weiß-roter Teamchef drückte Roger Bader jedem Spieler einen Holzstab in die Hand. Und ließ ihn brechen. Dann gab er allen einen neuen Stab und ordnete an, alle Stäbe mit Isolierband zusammenzukleben. Bader warf dieses Knäuel dann Thomas Raffl, gut und gerne 100 Kilogramm Muskelmasse, zu und forderte ihn auf, das Paket zu brechen. Die Stäbchen hielten dem personifizierten Villacher Kraftlackl stand, Baders Experiment glückte, die Spieler verstanden – und Österreich stieg in die A-Gruppe auf. Das war vor zwei Jahren.

Die antiquierte Zielvorgabe für dieses Jahr lautet wenig euphorisierend: Klassenerhalt. Allerdings wurde dieses Wort im Vorfeld der A-WM eher vermieden. Das erstaunt. Und der stärkste Mann von 2017, der auch heuer das Kapitänszeichen auf der Brust trägt, meint dazu ausweichend: „Wir haben unsere Ziele innerhalb der Mannschaft besprochen. Sie sind nicht für die Öffentlichkeit bestimmt.“

Demut und Respekt, aber keine Angst

Es herrsche zwar Demut vor vergangenen Erfolgen und Respekt vor zukünftigen Aufgaben, aber „bestimmt keine Angst vor schier übermächtigen Gegnern“. Wie etwa Weltmeister Schweden, Vizeweltmeister Schweiz, Tschechien oder dem russischen Starensemble mit Alexander Owetschkin. Auch nicht vor Norwegen, Lettland oder Italien. Zumal die Österreicher mit Heimspielen rechnen dürfen, 20.000 Fans werden in Bratislava erwartet.

Österreich startet mit dem besten verfügbaren Team. Raffl ortet einen weiteren, bedeutenden Bonus: „Wir sind seit Jahren großteils die gleiche Truppe, aber älter und erfahrener geworden.“ Zudem, und das hat Bader bereits mehrmals bekräftigt, befinden sich die Torhüter in bestechender Form. Und der bullige Kapitän selbst hat neben anderen Akteuren speziell im Test gegen Kanada bewiesen, dass sich alle auch auf höchstem Niveau wie zu Hause fühlen.

Eine Frage der Einstellung

Allerdings, das ist dem 32-Jährigen bewusst: „Nur gegen die Besten der Welt mit 100 Prozent zu spielen, wird nicht genügen. Das braucht es auch gegen Italien.“ Ob es Schlüsselspiele gebe? „Jede einzelne Partie.“ Konstanz soll ein wichtiges Schlagwort sein. Bader wird gefordert sein, die Spannung über alle sieben WM-Spiele aufrechtzuerhalten. Raffl: „Wenn wir gegen Schweden die gleiche Einstellung wie gegen Italien aufbringen, werden wir positiv bilanzieren.“

Die taktische Gestaltung bleibt wie gehabt. „Ein vertikales, geradliniges Eishockey“, also das Bader-Prinzip: schnörkellos und ohne Kunststücke. „Damit würden wir nicht punkten können. Unsere einzige Möglichkeit ist es, dem Gegner mit aggressivem Körperspiel wehzutun. Das mag niemand.“ Raffl schwärmt dennoch von der hohen Qualität in der Mannschaft. „Wenn man jetzt alle von A bis Z durchgeht, könnte jeder der entscheidende Faktor sein“, hält er fest.

Viele Varianten im Sturm

Mehrere Varianten auf der Mittelstürmer-Position stehen Bader mit diesem Kader (Graz-Verteidiger Philipp Lindner auf Abruf) zur Verfügung. So sind Benjamin Baumgartner (mit erst 19 Jahren die große Überraschung), Lukas Haudum und Patrick Obrist für Center und Flügel einsetzbar. Fix ist, dass alle 25 Mann einen WM-Einsatz erhalten.

Der vorletzte Gruppenplatz würde den Klassenerhalt bedeuten. Wer Bader kennt, weiß, dass er zwar experimentiert, aber zuviel Risiko scheut. Bestimmt hat er einen neuen Trick, um wieder die Sinne aller dafür zu schärfen.

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