Der Grat zwischen Genie und Wahnsinn ist bekanntlich ein schmaler. Im Nachhinein betrachtet verändert nur das Resultat den Blickwinkel. Oliver Setzinger wird damit als Sinnbild dessen im Eishockey am häufigsten assoziiert. Der 32-jährige Wiener glänzt erst mit Torvorlagen wie vom Reißbrett und vergibt im nächsten Moment seinen gefühlt 20. Alleingang. "Ich probiere Dinge, die auf den ersten Blick nicht nachvollziehbar sind. Natürlich würde ich am liebsten jeden Puck ins Tor schießen. Aber wenn mein Einser-Schmäh zu 60 Treffern geführt hat, dann verwende ich ihn eben öfter", lässt sich der Torjäger in die Karten blicken.

Kein Wunder also, dass Setzinger die Gegensätze des Eishockeys bereits mehrmals am eigenen Leib erfahren durfte. Vergangene Saison avancierte er mit einem Treffer, der für den KAC den Halbfinal-Aufstieg bedeutet hatte, zum großen Helden. Allerspätestens. Zuletzt rollten die Fanklubs jedoch ein Transparent aus. "Setze klatsch (noch) einmal", prangte darauf hämisch. Grund? "Auf der Ehrenrunde nach dem 0:7 gegen Salzburg wurden wir übelst ausgebuht. Ich habe den Fans bewusst provokativ gedeutet, dass sie ruhig weitermachen sollen. Es war klar, das es eine Retourkutsche gibt."

KAC-Stürmer Oliver Setzinger ließ sich
KAC-Stürmer Oliver Setzinger ließ sich "Wiener Wahnsinn" auf seinen linken Oberarm tätowieren © APA/HERBERT PFARRHOFER

Wo vom "Setzinger-Style" im Vorjahr nichts spürbar gewesen war, kommt er heuer vereinzelt, dafür in ausgeprägterer Form zum Vorschein: lautes Schimpfen mit Teamkollegen, Schläge mit dem Stock auf das Eis oder verächtliches Kopfschütteln. "Das darf nicht überbewertet werden. Es gibt verschiedene Arten von Menschen. Ich lebe Eishockey und bin niemand, der gerne verliert. Ich gebe alles, um zu gewinnen und erwarte das auch von anderen", meint der Wiener. Er vergisst jedoch nicht auf Selbstkritik.

Schließlich habe er als Leistungsträger dafür zu sorgen, dass die Rotjacken den Erwartungen gerecht werden, findet Setzinger. "Ich zerbreche mir täglich den Kopf, was wir verbessern könnten. Hinter den Fehlern auf dem Eis steckt keine Absicht. Entscheidungen müssen eben in Sekundenbruchteilen getroffen werden. Bei der Videoanalyse ärgere ich mich selbst, wenn mir etwas misslungen ist", versichert der zweifache Familienvater. Dabei schafft er es schon während der Partie, Fehler auszumerzen. Wie gegen Laibach. Nach einem vergebenen Sololauf glänzte Setzinger mit sehenswerter Torvorlage einerseits und einem Hammer zum 4:0 andererseits.

Auch wenn hinter der Person Setzinger beides vermutet wird. Eine dominantere Rolle spielt wohl seine Genialität.

MARTIN QUENDLER