Für die Graz99ers steht eine Jubiläumssaison an und damit Ihre letzte als Präsident des Vereins. Was erwartet man sich da?
JOCHEN PILDNER-STEINBURG: Nicht mehr als in den letzten Saisonen und vor allem keine Wunder. Ich erwarte mir eine kampfstarke Mannschaft, eine Entwicklung, und hoffentlich kommen wir etwas einfacher und mit weniger Aufregung ins Play-off als in den vergangenen Jahren.
Sie haben vom Titel geträumt, ist dieser Traum ausgeträumt?
Ich habe relativ selten und wenn im Spaß über den Titel gesprochen. Das war nicht ernst gemeint, denn man muss sich darüber im Klaren sein, dass die Kräfteverhältnisse in der Liga so verteilt sind, dass man gegen die ganz Starken über eine ganze Saison keine realistische Chance auf den Titel hat.
Wurmt es Sie, dass Sie so eine Schlagkraft in Graz nie zusammengebracht haben?
Na ja, wir haben immer darauf bedacht genommen, dass wir wirtschaftlich ausgeglichen arbeiten. Wir wollten etwas entwickeln, und das ist uns gelungen. Es haben uns schlussendlich die Mittel gefehlt, um qualitativ erstklassige Importspieler zu holen. Wir haben uns mit "durchschnittlichen" Spielern zufriedengegeben, ab und an war ein Gustostückerl dabei. Es war aber nie die erste Garnitur, die man mit den großen der Liga vergleichen kann. Wir wollten uns das auch nicht leisten.
Warum?
Wir haben eine klare Vorgabe, um wirtschaftlich mit dem bestehenden Budget reüssieren zu können. Wir haben unser Gehaltslimit, über das wir nicht darüber gehen.
Aber es ist ja niemandem verboten, mehr Budget aufzustellen …
Da können nicht nur wir ein Lied davon singen. Wir haben in der Steiermark eine verehrende Sponsorenlandschaft. Man darf das nicht verallgemeinern, ich spreche da von den wirklich finanzkräftigen. Aus dieser Ecke kommt gar nichts.
Warum nicht?
Weil die einfach nichts für die Öffentlichkeit tun wollen. Ohne Namen zu nennen: Es gibt Unternehmen in Graz, die für den Sport gar nichts tun. Denen geben wir für ihre Betriebsmannschaften mehr, als die für uns geben.
Früher haben z. B. Waagner Biro, Alpine mit ihren "Werksmannschaften" die Menschen begeistert und gebunden. Wird es das in Zukunft wieder geben – Stichwort Fachkräftemangel?
Es wird notwendig sein. Es ist eine Attraktivierung des eigenen Unternehmens, und so habe auch ich das immer gehalten. Da waren nicht immer alle zu 100 Prozent überzeugt, dass Millionen investiert werden. Da haben wir Probleme gehabt. Da ist auch der Betriebsrat in wirtschaftlich schlechten Zeiten gekommen und hat gesagt: Für Eishockey gebt ihr Geld aus und bei uns spart ihr. Wir haben uns aber durchgekämpft. Nach ein paar Jahren, als ich mir überlegt habe, ob das mit dem Eishockey überhaupt Sinn macht und ob ich aufhören soll, kam der Betriebsrat und hat gesagt, das darf ich nicht, weil sich das Unternehmen damit identifiziert. Und jetzt ist es so, dass viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die wir auf dem steirischen Markt akquirieren, kommen und sagen: Die Firma kennen wir, die tut was für den Sport und für die Jugend.
Haben die Großkonzerne den regionalen Bezug und die soziale Verantwortung verloren?
Sie denken kurzsichtig. Bei großen Firmen hier hängt lieber ein neues Gemälde an der Wand, als für den Sport was zu tun. Nehmen wir als leuchtendes Beispiel einen Otto Kresch im Handball, der den Sport immer unterstützt hat. Solche Unternehmer brauchen wir. Aber das sind Einzelerscheinungen. Auch Mateschitz hat Großes geleistet und zum Beispiel im Fußball etwas aufgebaut, das mittlerweile ein Selbstläufer ist, mit dem sich die Menschen identifizieren.
Apropos Selbstläufer: Ist es ein Selbstläufer, einen neuen Präsidenten zu finden?
Nein (lacht), aber wir haben jahrelang daran gearbeitet und jetzt ist der richtige Zeitpunkt. Wir sind uns einig und es wird keine Kurzzeitgeschichte. Ich gehe ohne Sorge.
Verraten Sie den Namen?
Wir haben einige im Blick, aber mein Favorit ist Herbert Jerich, und wir sind uns im Grunde handelseinig. Er hat ein vernünftiges Konzept, und ich sehe in ihm meinen legitimen Nachfolger. Er war früher schon im Verein tätig, und ich bin überzeugt, dass er der Richtige ist.
Welchen Rat können Sie mit der Erfahrung von 24 Jahren geben?
Man muss sich immer auf neue Gegebenheiten einstellen, sich damit auseinandersetzen. Ich würde jedem raten, nicht mit Krampf etwas erreichen zu wollen, sondern mit Gelassenheit und langfristigen Plänen. Der schnelle Erfolg hat schon viele Vereine kaputtgemacht – das haben wir besonders in Graz gesehen. Ein Präsident sollte zu seiner Führung stehen, sich aber nicht täglich in die sportlichen Belange einmischen und hinter der Bande stehen. Eine gewisse Distanz hilft, als Autoritätsperson akzeptiert zu werden. Kurzfristige Misserfolge und unzufriedene Fans dürfen einen nicht aus dem Tritt bringen.
Hatten Sie schon immer diese Gelassenheit oder ist das jetzt die Altersmilde?
Nein, die ist es nicht. Natürlich habe ich mich auch über Besserwisser geärgert. Gerade beim Eishockey gab es eine Clique von Altvorderen, die noch von alten Zeiten träumten. Und ich rege mich auch heute noch manchmal auf – aber weniger. Ich sage dann: Mach es besser.
Haben Sie das schon mal jemandem vorgeschlagen?
Ehrlich gesagt, ja. Vor ein paar Jahren haben sich einige Fans unglaublich aufgehalten, weil wir irgendwas nicht erreicht haben. Ich habe sie eingeladen zu einer Besprechung, habe ihnen gesagt: Da habt ihr die Unterlagen, übernehmt es und führt es weiter. Es waren alle draußen, so schnell hat man gar nicht schauen können.
Aber prinzipiell sind schon Sie und Bernd Vollmann für alle an allem schuld?
(lacht) In erster Linie bekommt Bernd alles ab, weil ich mich aus dem operativen Geschäft zurückgezogen habe. Aber grundsätzlich sind er und der Trainer schuld und ab und zu auch ich.
Hätten Sie vielleicht irgendwann doch einen Sportdirektor holen sollen?
Wir haben sehr oft darüber nachgedacht. Wir haben uns grundsätzlich auch nicht gegen einen gewehrt und hatten mit Tine Krainz ja auch einen. Aber es war eine finanzielle Frage. Ein Guter kostet so viel wie ein guter Trainer. Wenn man ein gutes Trainerteam hat, dann funktioniert es auch so. Bill Gilligan hat das auch gezeigt.
Es waren aber auch nicht alle so ein guter Griff wie Gilligan …
Überhaupt nicht. Wir haben leider auch manchmal in den Topf gegriffen.
Thema Förderung: Liegen in der Steiermark politische und sportliche Interessen zu weit auseinander?
Ja, es war immer ein großes Thema und es war einfacher, als es sportaffine Politiker gab. Zum Beispiel Franz Voves, der hat verstanden, worum es geht. Hirschmann war auch affin, den musste man nur mit einem Konzept überzeugen, und Hermann Schützenhöfer war immer kooperativ. Ich hatte immer einen guten Kontakt, bei meinem Nachfolger wird es schwieriger.
Woran liegt das?
Das Bewusstsein – und das sieht man auch in der Bundespolitik –, dass Sport ganz wichtig ist, geht immer mehr verloren. Und ganz schlimm ist es in der Stadt Graz. Da geht gar nichts mehr.
Weil?
Wir haben zwar unsere öffentlichen, halböffentlichen Sponsoren, aber es fehlt die Kopentenz und ein Konzept, wie es mit dem Sport weitergehen soll. Das ist jetzt keine Generalkritik, und der Steinburg mault nicht über die KPÖ und die Grünen. Nein, wir haben auch einen schwarzen Sportstadtrat. Das darf man nicht vergessen, und der war auch schon früher tätig. Natürlich hat das auch mit dem Budget zu tun. Aber ich kann nicht etwas, was für die Jugend wichtig ist und wo sie sich orientieren, auf die Seite legen und nur Couch-Potatoes heranziehen. Da mache ich mir für die Zukunft große Sorgen.
Wie haben Sie Sport erlebt?
Ich bin mit ihm aufgewachsen und habe ihm viel zu verdanken – deshalb mache ich das. Wir waren eine andere Generation, wir haben auf der Straße Fußball gespielt. Wir hatten Unterstützer, die uns geholfen haben. Mein Vater war einer der ersten Unterstützer des GAK-Eishockeys. Er hat gesagt: "Bevor die Buben blöd im Kaffeehaus herumsitzen, sollen sie lieber Eishockey spielen. Dann bezahle ich das." Ich verdanke dem Sport aber auch eine Lebensschule, internationale Kontakte, gute Freundschaften. Ich habe Disziplin und Härte zu mir selbst gelernt.
Sie wirken immer, als hätten Sie eine ganz dicke Haut …
Die braucht man und die bekommt man.
Wie dick ist sie, wenn Sie mit sich selbst sind?
Natürlich zweifelt man manchmal an sich. Aber am nächsten Tag steht man wieder auf und macht weiter. Das ist auch Eishockey: Niederfallen, aufstehen und weitermachen und nicht herumlamentieren, wie schlecht es mir geht.
War Ihnen Ihr Image des Präsidenten wichtig?
Ich habe mich nie über meine Rolle als Sportfunktionär definiert. Ich habe beruflich und privat so viel erreicht, dass ich mich nicht darüber definieren muss.
Warum machen Sie es dann?
Weil ich der Jugend etwas weitergeben möchte. Das, was ich erfahren und erlebt habe – dafür bin ich dankbar und das will ich zurückgeben. Ich kann auch nicht mit mehr als zwei Löffeln gleichzeitig essen.
Zurück in den Bunker. Was haben Sie neben dem Sportlichen erreicht?
Wir haben zumindest eine funktionierende Infrastruktur aufgebaut, wenn auch nicht alles so gelungen ist, wie wir uns das vorgestellt haben. Wir haben eine Akademie, die Spieler ausbildet. Aber ich muss sagen: Das hätten wir alles schon früher haben müssen. Jetzt ist die Basis geschaffen, und es gibt genügend junge Leute, die sich dem Sport zuwenden. Die Saat ist gelegt.
Wie waren die Voraussetzungen Ende der 90er-Jahre?
Als wir 1999 angefangen haben, waren die infrastrukturellen Voraussetzungen nicht gegeben. Wir hatten eine desolate Eishalle und Trainingsmöglichkeiten, die finanziellen Mittel waren begrenzt. Eishockey war mehr oder weniger tot. Es gab keinen Nachwuchs, es gab keine Basis. In den Jahren davor wurden, wenn überhaupt, durchschnittliche Spieler ausgebildet. Eishockey in Graz basierte auf eingekauften Spielern.
Wie war die Einstellung zum Eishockey in Graz?
Ich erinnere mich an meine Gespräche mit Gerhard Hirschmann – Gott hab ihn selig –, der damals gesagt hat: "Was wollt ihr überhaupt, Eishockey ist und bleibt eine Randsportart." Wir haben gewettet, und ich habe gesagt, Eishockey wird auch in Graz seine Berechtigung haben. Später, als wir gute Freunde wurden, hat er es zugegeben.