Mehr als ein Jahrzehnt gab es die Punkteregel. Und wird ungefähr so lange scharf kritisiert. Weil Österreicher sowie der heimische Nachwuchs auf der Strecke geblieben sind. Die Liga hat jedoch beharrlich daran festgehalten. Jetzt ist alles anders. Warum der plötzliche Sinneswandel?
JOCHEN PILDNER-STEINBURG: Sagen wir so: In der Führung von Liga und Verband sind neue Personen am Werk, die die Situation im österreichischen Eishockey ein bisschen differenzierter sehen. Diese versuchen, für den Sport neue Ideen zu spinnen und ihn anders zu gestalten.
Ihr persönlicher Standpunkt in dieser Frage?
Ich begrüße das, sonst hätte ich dem nicht zugestimmt.
Wer hatte dabei die Zügel in der Hand? Der ÖEHV?
Es waren gemeinsame Verhandlungen. Mich hat der Zeitpunkt der Veröffentlichung des Verbandes allerdings verwundert. Es hinterlässt viel Interpretationsspielraum. Mir geht es nicht darum, wer Erster ist, sondern was der Inhalt der Vereinbarung ist.
Das klingt nach leiser Kritik. Verband und Liga - wie weit ist man in Wahrheit voneinander entfernt?
Wir verhandeln schon länger intensiv. Die Kooperationsvereinbarung ist ja eigentlich schon 2020 ausgelaufen. Sie wurde zwei Mal um ein Jahr verlängert. Wir wollen jetzt sinnvolle Verhandlungen führen, etwas Neues aufsetzen und nicht Reparaturen vornehmen. Der ÖEHV hat uns seine Vorstellungen übermittelt, die weit entfernt waren von unseren. Wir haben uns nun angenähert.
Dennoch hat es den Eindruck vermittelt, als würden solche essenzielle Themen über den Verband laufen. Obwohl sich die Liga ihr Überleben immer selbst sichern musste. Lässt man sich wirklich so einfach die Meinung aufoktroyieren?
Darauf lasse ich mich nicht ein. Uns geht es darum, gemeinsam einen Weg zu finden und die Eishockey-Zukunft zu gestalten. Jeder wird verstehen, dass hier zwei Interessensgruppen aufeinanderprallen. Mit dem Verband einerseits. Und der Liga auf der anderen Seite. Allerdings verfolgen auch unsere Klubs eigene Ziele. Zuerst müssen wir also innerhalb der Liga zu einer Linie finden. Unsere große Aufgabe lautet, und da gehe ich mit ÖEHV-Präsident Klaus Hartmann konform, das Eishockey bestmöglich zu gestalten. Alle werden Entgegenkommen zeigen müssen.
Droht Ihnen der ÖEHV damit, die Liga selbst auszurichten? Ist das überhaupt möglich?
Es gibt manche Extrem-Vorstellungen. Auch wenn diese Überlegungen ventiliert und in den Raum gestellt wurden, muss sich der ÖEHV bewusst sein, wie er eine professionelle Liga überhaupt aufstellen und managen kann. Vielleicht können sich einige gar nicht vorstellen, was wir äquilibrieren müssen. Mit Covid und den daraus resultierenden täglichen Veränderungen. Dafür benötigt es die entsprechenden Management-Kapazitäten. Und ich bin mir nicht sicher, ob der ÖEHV diese besitzt.
Nach den Imports müssen auch andere Themen geklärt werden: Nachwuchsligen, Finanzen, TV-Verträge - was könnte die Verhandlungen scheitern lassen?
Die Kaderregelung war schon sehr wichtig, weil wir dieses dringend gebraucht haben. Auch für die Saisonplanungen der Klubs. Wir versuchen das österreichische Eishockey hinsichtlich Marketing und den Synergien daraus neu aufzusetzen. Oder etwa Nachwuchsarbeit und Nachwuchsligen. Doch dafür gibt es Arbeitsgruppen. Und daraus wird dann ein Paket geschnürt.
Ist es Aufgabe einer vermarkteten Profi-Liga, Nachwuchs-Strategien zu erarbeiten?
Es gab Versäumnisse in der Vergangenheit seitens der ÖEHV-Führung. Das habe ich auch immer als Graz 99ers-Präsident kritisiert, dass Vergessen worden ist, Jugendarbeit entsprechend aufzusetzen sowie für einen Unterbau zu sorgen. Mein Wunsch war nicht nur über eine bedeutende Erste Liga zu verfügen, mit einem Hilfskonstrukt Alps-Hockey-League, die den Weg von Nachwuchs zu Profis verschmälern soll. Darunter passiert in Wahrheit gar nichts. Wenn wir aber den Spagat durch Rahmenbedingungen schaffen, dass mehr eigene Spieler das Potenzial für das Profi-Eishockey besitzen, erhalten die Klubs auch wirtschaftlich ganz andere Möglichkeiten. 15 oder 20 Legionäre pro Team sind nicht unsere Zukunft.
Insgesamt wirkt es, als wäre die Luft draußen oder täuscht das? Wie kann Eishockey wieder Relevanz erlangen?
Da gebe ich absolut recht. Wir kämpfen mit dieser Problematik, insbesondere wegen wechselnder Zuschauerbeschränkungen und strengen Covid-Maßnahmen. Ich will jetzt erst gar nicht über die politischen Entscheidungen sprechen, die bei den Fans für Unsicherheit und Angst gesorgt haben. Natürlich gab es Hilfspakete - dafür haben wir uns aber oft genug bedankt. Wir wollen die Menschen zurückholen in die Hallen, Eishockey ist ja nach wie vor attraktiv.
Haben Sie Sorgen, dass Corona auch auf lange Sicht zu finanziellen Turbulenzen bei den Liga-Klubs führen kann?
Die Details kenne ich nicht. Ich habe ja keinen Einblick in die Finanzen der Klubs. Das bleibt der Liga aufgrund der Statuten untersagt. Jeder Verein ist für sich verantwortlich. Zuschauerbeschränkungen und organisatorische Mehraufwendungen geht klarerweise auf die finanzielle Substanz. Sagen wir so: Es ist eine sehr, sehr sensible Situation. Für den einen oder anderen wird es jedenfalls eng werden. Wir wissen ja nicht einmal, ob wir heuer die Liga zu Ende bringen können.
Zurück zur allerersten Frage: Mehr Österreicher, ein paar Imports weniger - wird jetzt alles besser?
Im ersten Moment macht es das Kraut nicht fett, klar. Aber wir haben nicht hunderte Erstliga-Spieler. Wir können nur beginnen, alles neu aufzubauen. Was wir jetzt sehen, haben ehemalige Präsidenten und Vize-Präsidenten mit falschen Nachwuchsligen verursacht. Wie gesagt, ich habe das kritisiert und mir damit immer viel Ärger eingehandelt. Das wird jetzt dauern, bis das Resultat zu sehen sein wird. Bis wir zu diesen Ergebnissen gelangen, die auch Teamchef Roger Bader begrüßen würde. Erst dann wird Eishockey insgesamt wieder stark werden.