Seit wenigen Tagen ist er da, der meteorologische Sommer. Was macht man als Eishockey-Trainer eigentlich in der heißen Jahreszeit?
JENS GUSTAFSSON: Die Leute glauben, ein Eishockey-Trainer hat in den Sommermonaten nichts zu tun. Dabei hat man gerade da viel Arbeit. Man holt ja nicht einfach so einen Neuzugang. Man muss scouten, Videos schauen. Und dann natürlich noch persönliche Gespräche führen.
Persönliche Gespräche in Pandemiezeiten – und noch befinden wir uns ja in dieser – sind wohl nicht so einfach zu bewerkstelligen, oder?
Nein, es sind in dem Fall viele Telefonate, die man führt. Ein Gespräch reicht da nicht aus. Wir wollen ja nicht nur Spieler holen, die gut Eishockey spielen können, sondern Spieler, die auch charakterlich in unser Team passen.
Mit Simon Hjalmarsson ist es Ihnen gelungen, einen Weltmeister und mehrfachen Champions-Hockey-League-Sieger nach Graz zu holen. Ist es der beste Transfer in der gesamten Liga?
Auf dem Papier vielleicht schon. Aber ich erwarte nicht, dass Simon nach Österreich kommt und die Liga im Alleingang dominiert. Dafür ist die österreichische Liga zu stark.
Was ist es dann, was Sie sich vom 32-Jährigen erwarten?
Er ist ein erfahrener Spieler, ich kenne ihn schon lange und gut. Ihn kann man im Powerplay und im Penalty Killing einsetzen. Aber was man nicht auf den ersten Blick sieht – zumindest als Fan: seine Führungsqualitäten.
Wie gelingt es dem Tabellenletzten der abgelaufenen ICE-Saison, ein Kaliber wie eben Simon Hjalmarsson nach Graz zu locken?
Es ist nicht so schwierig, wie man glaubt. Die Spieler schauen nicht ausschließlich auf die Platzierung der abgelaufenen Saison. Schon gar nicht, weil es für alle im Vorjahr wegen Corona schwierig war. Da haben viele Teams Auf und Abs gehabt. Ich will bei den 99ers eine Gewinner-Mentalität etablieren. Das sage ich den Spielern in den Gesprächen. Wir wollen langfristig denken und etwas aufbauen und erreichen. Simon hat mit Frölunda in der Champions Hockey League gegen Graz gespielt und weiß, was mit diesem Klub möglich ist.
Aber er ist natürlich nicht der einzige Neuzugang. Unter anderem hat man sich Abwehrspieler Ben Blood aus der finnischen Liga geholt. Ist sein Name Programm?
(lacht) Man schaut auf elitesports und sieht, dass Ben in einer Saison einmal über 200 Strafminuten bekommen hat. Er ist groß, stark und als Gegner beinhart. Er bringt eine Menge Energie mit, ist aber eher der defensive Defensivspieler und wird im Powerplay wohl nicht unsere Nummer eins sein.
Apropos Nummer eins. Anthony Peters ist die neue Nummer eins im Tor der 99ers, oder?
Auf den ersten Blick sieht es danach aus, ja. Man muss aber auch beachten, dass Felix Nussbacher ein sehr junger Tormann ist. Er hat im vergangenen Jahr zwar einen großen Schritt nach vorne gemacht, Anthony ist aber erfahrener. Sie werden beide ihre Eiszeit bekommen.
Neben Hjalmarsson, Peters und Blood wurde mit Joey Martin ein vierter Legionär verpflichtet.
Mit Cardiff war er sehr erfolgreich. Um das gegnerische Tor ist er sehr gefährlich, hat einen guten Torriecher. Joey ist außerdem ein großartiger Leader mit einem super Charakter.
Auch Zintis Zusevics ist für seinen guten Charakter bekannt.
Jeder weiß, dass Zintis ein lustiger Typ ist. Aber nicht nur für die Kabine ist er wichtig. Er ist ein guter Eisläufer und kennt seinen Platz im Team.
Wie war seine Entwicklung in Linz, von wo aus man ihn nun wieder nach Graz zurückgeholt hat?
Gut. Wir sind überzeugt davon, dass es für ihn sehr wichtig war, einmal ein Jahr von Graz wegzukommen.
Wie beurteilen Sie die Einsatzchancen für junge Spieler wie Kilian Rappold oder Kevin Pesendorfer?
So wie für jeden Spieler im Kader. Das Alter spielt keine Rolle. Wir wollen die Spieler weiterentwickeln. Hoffentlich sind Kilian, Kevin und Co. in ein paar Jahren die neuen Oberkoflers.
Kommen Sie eigentlich auch einmal von Graz weg? Telefongespräche mit potenziellen Neuzugängen kann man ja von überall führen.
Das stimmt. Das ist der einzige Unterschied zum Winter. Man hat zwar viel Arbeit, kann diese aber fast an jedem Ort der Welt machen. Derzeit bin ich aber noch in Graz, meine Tochter geht hier zur Schule. Vielleicht fahren wir im Juli ein paar Tage nach Schweden.
Ihr Fazit der bisherigen Kaderaktivitäten?
Ich bin sehr zufrieden, was wir bisher gemacht haben. Die Vorfreude auf die Saison ist groß.