Sie haben vor Kurzem ein schriftliches Statement veröffentlicht, indem Sie erklären, mit den Referee-Leistungen sehr zufrieden zu sein. Vor wenigen Wochen haben Sie in einer österreichischen Tageszeitung die Referees scharf kritisiert. Wodurch ist dieser Schwenk zu erklären?

LYLE SEITZ: In den Play-offs ist die Aufmerksamkeit viel höher. Von den Fans und natürlich seitens der Medien. Wir haben im Viertelfinale alle Partien aus Referee-Sicht analysiert. Sie haben die Situationen gut gelesen und ihren Job gut gemacht. Den Artikel, den Sie ansprechen, sollte als Weckruf gedacht sein. Sie haben damals nicht auf ihrem höchsten Niveau gepfiffen. Aber unsere Offiziellen sind nicht schlecht. Sonst wäre heuer wohl kaum einer von der NHL einberufen worden, zwei weitere wurden vom Internationalen Eishockey-Verband (IIHF) nominiert.

Es gab jedoch eine Reihe von Fehlentscheidungen mit starken Auswirkungen. Nach einem Beinstellen gegen einen Bozener Spieler erzielte Linz ein Tor...

SEITZ: Den Referees stehen nicht immer alle Kamerapositionen zur Verfügung, wie wir sie im "Situation Room" haben. Aber wir waren mit gewissen Entscheidungen natürlich nicht einverstanden und haben sie an die verantwortlichen Stellen adressiert.

Bei ServusTV sah Analyst und Ex-Goalie Claus Dalpiaz beim Schlägerwurf von Salzburg-Keeper Juuso Riksman beim Penalty von KAC-Stürmer Manuel Ganahl einen Regelverstoß. Sprechen Sie ihm die Expertise nun ab?

SEITZ: Wir haben schon beim Spiel in Klagenfurt bemerkt, dass Riksman ein Goalie ist, der seinen Stock sehr lose hält und ihn leicht verliert. Das ist ihm sogar im ersten Abschnitt des siebenten Spiels passiert. Wäre ihm Ähnliches während einer Partie passiert, hätte sich niemand beschwert. Aber bei einem Penalty wird die Aufmerksamkeit automatisch auf die beiden Spieler gelenkt.

Ein Ex-Goalie kann vermutlich besser abschätzen, wenn ein Stock aus der Hand fällt oder falls so eine Aktion absichtlich passiert. Wurde nie überlegt, Ex-Spieler für das DOPS zu nominieren?

SEITZ: Wir haben im internationalen PSC (Players Safety Comittee) einige ehemalige Spieler von hohem internationalen Rang. Das DOPS fungiert lediglich als Bindeglied. Das Strafausmaß legt immer das PSC fest, nicht das DOPS. Wir errechnen aus den erhaltenen Rückmeldungen lediglich den Durchschnittswert. Daher ist es völlig egal, ob im DOPS ebenfalls Spieler sitzen oder nicht.

Ebenfalls auf Ihr Statement bezugnehmend: Warum wird das EBEL-Regelwerk nicht erweitert hinsichtlich Videobeweis oder Anruf in Ihren Situation-Room?

SEITZ: Natürlich kann so etwas angedacht werden, das Video-Judge-Review in der EBEL zu erweitern. Doch es kann nicht für jede Situation im Situation-Room angerufen werden. Das was in Salzburg passiert ist, kann vorkommen. Es ist ganz logisch, dass es in der Folge zu Kontroversen führt. Man darf nicht vergessen, dass auch davon das Eishockey in Österreich lebt.

Aber in der NHL erfolgen doch auch Anrufe in den War-Room, um Referees strittige Entscheidungen abzunehmen. Das wäre doch im Sinne der Fans, dass Entscheidungen zwar länger dauern, aber genau analysiert werden?

SEITZ: Die technische Infrastruktur ist noch nicht ganz ausgereift. Einige Hallen, wie in Klagenfurt, sind besser ausgestattet. Andere weniger gut. Es gab beim KAC schon eine Situation: Der Referee wollte mittels Headset in den Situation-Room anrufen. Leider hat dies nicht funktioniert. Also wird das noch dauern.

Sie sind mittlerweile seit fünf Jahren in Österreich und sahen sich in der EBEL bereits mit vielen Diskussionen konfrontiert. Auch Sie selbst standen immer wieder zur Diskussion. Sind Sie noch motiviert in der EBEL zu arbeiten oder stimmen die Gerüchte, dass Sie Österreich verlassen könnten?

SEITZ: Ehrlich gesagt, habe ich aus anderen Eishockey-Ligen Angebote erhalten. Aber ich fühle mich in Österreich sehr wohl. Auch wenn es kurz so scheinen mag, das Gras ist woanders nicht unbedingt grüner. Die EBEL hat sich international gesehen einen tollen Ruf mit diesem Situation-Room erarbeitet. Wir sind weit gekommen. Viele Regeln sind sogar von der Champions Hockey League übernommen worden. Ich will das nicht so einfach hinter mir lassen.

INTERVIEW: MARTIN QUENDLER